wortwechsel
: Kritik an taz-Sprache und dem Berlin-Hamburg-Teil

Gendern ist immer wieder in der Kritik. Endlich wieder Thema: die Freigabe von Cannabis. Die neue Wochenendausgabe der taz gefällt nicht allen

Bald legal statt illegal? Foto: dpa

Cannabis

„Joint venture“,

taz vom 13. 10. 21

Es gibt kein Leben ohne Risiken. Und somit auch keinen Cannabis-Konsum, der nicht auch negative Folgen haben kann. Bald 100 Jahre hatten die Befürworter der Cannabis-Prohibition Zeit, uns vor Cannabis und damit vor dem Untergang des Abendlands zu bewahren. Ergebnis: Tote, Leid und Elend. Und immer mehr Produktion und Konsum psychoaktiver ­Substanzen. Wäre der ganze Diskurs um die Legalisierung nicht so ideologisch aufgeladen, sie wäre schon lange durch. Ich selbst gehe leicht als „Opfer“ einer völlig falschen, gescheiterten Drogen- und Jugendpolitik durch. Anfang der 80er Jahre, nachdem ich meinen ersten Joint rauchte, hörte ich das Märchen von dem so wahnsinnig gefährlichen Kraut. Als durch meine Selbstversuche das letzte Vertrauen in die sogenannten Erwachsenen und deren „Drogenaufklärung“ bei mir vertan war, ging ich davon aus, dass auch Opia­te so schlimm ja nicht sein könnten … Und probierte als junger Mensch auch Heroin. Blöd nur, dass diese Droge wirklich gefährlich ist! Seitdem ist mein Leben gepflastert mit Toten. Wohlgemerkt keine Cannabistoten. Die CDU-Granden rufen, gern im alkoholgeschwängerten Saal, den Untergang des Abendlands aus, solle dieses Teufelszeug je wirklich legal werden. Wer ernsthaft mit „Verunreinigung des Stoffs“ gegen die Legalisierung/Freigabe argumentiert, obwohl der gestreckte Stoff direkte Folge mangelnder Transparenz auf dem Schwarzmarkt ist, ist mitverantwortlich für eine total irrationale und unehrlich Drogenpolitik. Und damit auch für all das Elend, die zerstörten Lebensläufe und die Mafia! Ich schließe mit dem Motto von Wolfgang Neuss: „Auf deutschem Boden soll nie wieder ein Joint ausgehen.“

Christoph W Anton, Berlin

Werbung

„Adblocker für die Stadt“,

taz vom 8. 10. 21

Adrian Lobe argumentiert in seinem Essay gegen werbefreie Stadträume vor allem mit dem vermeintlich drohenden „kulturellen Leerstand“ durch ein Wegfallen von Werbung für Kulturveranstaltungen. Gerade diese ist aber etwa in Genf ausdrücklich von einem Werbeverbot ausgenommen. Und dass die Polizei in São Paulo gegen subkulturelle, subversive Streetart vorgeht, dürfte mutmaßlich ­weniger dem Werbeverbot geschuldet sein – sondern vielmehr der Tatsache, dass es sich eben um subkulturelle, subversive Streetart handelt. Letztlich wird durch ein Werbeverbot lediglich der kommerzielle, also wenig demokratische Teil der Öffentlichkeit eingeschränkt. Das aber, was den öffentlichen Raum auch im Sinne des Autors so bunt und wandelbar macht, lässt sich eh nicht durch Verbote verhindern: ­Graffiti, ­Sticker und wilde Plakate für Kunst, Kultur und Politisches prägen das eigent­liche Abbild der im Artikel be­schworenen Stadtöffentlichkeit.

Kai Brokopf, Berlin

Heilkunde

„Mit Lymphdrainage oder Schamanentum heilen?“,

taz vom 11. 10. 21

Das Feld der Heilkunde ist in manchen Grenzgebieten seit langem vermint, die Konstruktion einer alternativen Behandlung durch Professionen mit Sonderstatus und Abrechnungsgenehmigungen hat sich nach Einschätzung der Bevölkerung etabliert und bewährt. Die Wissenschaft­liche Medizin grenzt sich nicht als Schulmedizin ab, dieser Begriff ist historisch geprägt dubios, sondern durch eine Methodik mit den üblichen Verfahren wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnes. Dazu gehören essenziell Statistik und die Evaluation sowie Qualitätskontrolle, Studien und Register. So entsteht Trans­parenz für Evidenz. Dr. Hokuspokus in der ÄrztInnenschaft sollte im 21. Jahrhundert durch gut akademisch und praktisch ausgebildete ÄrztInnen mit Expertise in Sprechender Medizin ersetzt werden.

Martin Rees, Dortmund

Antisemitismus

„Literarischer Boykott“,

taz vom 13. 10. 21

Die Autorin des Artikels über Sally Rooney „verurteilt“ die Autorin, weil diese nur mit einem israelischen Verlag zusammen­arbeiten will, der die „Apartheidspolitik“ ablehne. Nun wird Rooney „Antisemitismus“ bescheinigt. Und der Terroranschlag in Halle wird auch herbeizitiert. Das ist furchtbar blöd und furchtbar falsch. Rooney sucht nach einem Verlag, der ihre politischen Ansichten teilt. Was ist daran falsch? Falsch ist mit Sicherheit die Anti­semitismus-Keule, die von Frau Karsten geschwungen wird.

Torsten Teichert, Hamburg

Sprache

„Gendern“,

taz allgemein

Ich schaffe es seit vielen Monaten nicht mehr, auch nur einen einzigen Artikel zu Ende zu lesen. Eure Missachtung der deutschen Grammatik und Verschandelung der Sprache macht mich wütend, besonders, weil ich eine Frau bin und das in meinem Namen (und dem meiner Geschlechtsgenossinnen) geschieht. Es gibt Sammelbegriffe, die automatisch für alle Geschlechter gelten – oder sind plötzlich alle Personen Frauen? Wenn man sie einem Geschlecht zuordnen will, muss man das dazuschreiben. Wenn ihr so gut wie jeden Satz mit Sternchen, ­Großbuchstaben mitten im Wort verschandelt macht ihr euch selbst lächerlich und mit euch die Frauenbewegung. Ja, ich habe bemerkt, die „Sternchen-Kritik“ habt ihr euch offensichtlich zu Herzen genommen – und euch einen neuen Schachzug ausgedacht: das substantivierte Partizip Präsens. Partizip Präsens bedeutet: gerade dabei sein, etwas zu tun. Also: Wenn ­Studenten abends in der Kneipe sitzen, sind sie keine Studierenden, sondern einfach nur Studenten – beiderlei Geschlechts. Deshalb meine Bitte: Hört mit dem Unsinn auf, habt Achtung vor der Sprache! Lasst die Symbolpolitik sein und kämpft für Gleichberechtigung. Und habt Mitleid mit den Lesern. Beziehungsweise in dem Fall tatsächlich „Lesenden“.

Ulrike Wälder, Norwegen

Kampfsprache

„Kli­ma­klage gegen Bolsonaro“,

taz vom 13. 10. 21

Heute wende ich mich als taz-Urgestein an Sie, Abo seit der Nullnummer. Ihre Sprache im Kontext Klimawandel und Wandel im Allgemeinen zur Zeit war schon öfter Anlass für Artikel, die ich gern gelesen habe, vieles von der Kolumne Schlagloch. Konkret geärgert habe ich mich über zwei Artikel von Susanne Schwarz. Sie schreibt: Der Wald sei „eine Geheimwaffe gegen den Klimawandel; und ein natürlicher Verbündeter beim Klimaschutz würde also zum mächtigen Gegner“ – Abholzung in Brasilien. Diese Sprache ist vom Kampf geprägt. Das ist unter anderem eins der Probleme mit unserer Betrachtung des Klimawandels. Wir instrumentalisieren alles; Bäume sind dann Waffen oder Gegner oder Verbündete. Das Problem liegt allerdings in der Betrachtung der Autorin, den Menschen als das Nonplusultra anzusehen, der frei über Bäume verfügen kann und ihnen kein eigenes Recht einräumt, auch sprachlich. Das ist platter Materialismus, der dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht mehr entspricht.

Cornelia Freise, Bremen