DIDI DENKT NACH
: Keusche Madonna

Stets Kopftuch, nie Dekolleté

Zwei Fragen beschäftigten den Potsdamer Modekönig während des „petit lever“. Erstens: Wer hatte ihm vorgestern auf der Sommerauktion von Christie’s London Fra Bartolommeos „Madonna mit Kind“ von 1516 vor der Nase weggeschnappt? Und zweitens: Was hatten der ungewöhnliche Run auf das Bild und sein, wie Didi fand, unanständiger Preis zu bedeuten?

Vor ein paar Monaten noch war ein Foto von Madonna (Ciccone) von 1979, auf dem sie außer ihrem eigenen Pelz nichts anhat, der Renner bei Christie’s gewesen. Das hatte Didi selbst der Gala gesagt. Und jetzt diese „Madonna“ von Bartolommeo. War es tatsächlich so, dass ein Bartolommeo gut in unsere Zeit passte, weil der Florentiner wie sein Kollege Botticelli ein heißer Verehrer des Bußpredigers Savonarola gewesen war, wie die Zeit schrieb? Und weil Bartolommeo die Jungfrau Maria „anständig bekleidet“ gemalt hatte? Und hatte der französische Staatspräsident deshalb kürzlich so begehrliche Blicke auf die keusche Schönheit der Scheicha von Katar geworfen, die stets Kopftuch und nie Dekolleté trägt, während von seiner Carla überall Nacktfotos kursieren? Oje, dachte Didi.

Vielleicht sollte er sich lieber um seinen eigenen Kram kümmern. Frauenpelze aller Art waren seine Sache schon lange nicht mehr. Aber den finsteren Oberasketen Savonarola konnte er auch nicht ausstehen. Er erinnerte sich, dass Thomas Mann Savonarola, dessen Feuer der Eitelkeiten wiederum Botticelli sogar einige seiner Werke geopfert hatte, in einer Novelle süffisant porträtiert. So die eigene prekäre Sexualität in große Kunst zu verwandeln, war einfach geil.

Und auf einmal war Didi klar, was er zu tun hatte, um den morgendlichen Disput mit sich selbst lustvoll aufzulösen. Die Zeit war reif wie eine Feige für eine neue sexuelle Revolution. Die Revision des Herrenanzugs stand unmittelbar bevor.SASCHA JOSUWEIT