Frauenbildung in Afghanistan bedroht: Islam first

Der neue Rektor der Universität Kabul schließt Frauen von Lehre und Bildung solange aus, bis dort ein „islamisches Umfeld“ geschaffen wurde.

Verschleierte Menschen in der Universität von Kabul

Vor dem Auditorium an der Universität Kabul am 11. September Foto: Felipe Dana/ap

BERLIN taz | „Ich gebe Ihnen mein Wort als Rektor der Kabul Universtität: Solage dort keine wirkliches islamisches Umfeld für alle geschaffen wurde, wird Frauen nicht erlaubt sein, an die Universität zu kommen oder dort zu arbeiten. Islam zuerst.“

Mit diesem Tweet erklärte Mohammad Ashra Ghairat, der vergangene Woche von den Taliban zum Rektor der wichtigsten Universität Afghanistans ernannt worden war, dort ein Bildungs- und Lehrverbot für Frauen.

Schon gegen die Ernennung des 34-Jährigen hatte es heftige Proteste gegeben. Mehr als 70 Lehrkräfte legten aus Protest ihre Posten nieder. Sie äußerten nicht nur Zweifel an seiner akademischen Kompetenz – er hat nur einen Bachelor-Abschluss in Journalismus – sondern warfen ihm unter Berufung auf frühere Tweets von ihm vor, zur Ermordung von Journalisten aufgerufen oder sich mit tödlichen Anschlägen mit Haftminen auf Taliban-Gegner gebrüstet zu haben.

Auszuschließen ist allerdings auch nicht, dass womöglich Fake-Profile in Ghairats Namen angelegt wurden. Zumindest hat er mehrere Profile und eines davon trägt explizit den Titel Satireaccount. In dem von der New York Times zitierten Account, der hauptsächlich englischsprachige Tweets enthält, fällt die verbale Anlehnung an den früheren US-Präsidenten Donald Trump auf („Make Kabul University Great Again“, „Islam First“).

Unirektor spricht von „Missverständnis“

Das Blatt hatte am Montag Ghairats mutmaßlichen Verbotstweet in einem Artikel aufgegriffen. Denn ein Univerbot für Frauen hatten schon viele befürchtet, schließlich hatten die Taliban in ihrer ersten Regierungszeit 1996 bis 2001 Mädchen und Frauen sogar von jeglicher Bildung ausgeschlossen. Das jetzige Verbot würde die schlimmsten Befürchtungen bestätigen.

Dabei hatten die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August den Frauen weiten Zugang zu Bildung versprochen, allerdings nur im Rahmen des islamischen Rechts, der Sharia, und auf Basis der Empfehlungen islamischer Geistlicher. Details blieben unklar und damit alles durch entsprechende Geistliche jederzeit neu interpretierbar.

Am Dienstag relativierte Ghairat sein Verbot etwas in einem neuen Tweet und warf der New York Times vor, ihn missverstanden zu haben: „Ich habe nicht gesagt, dass wir Frauen nie erlauben werden, zur Universität zu gehen oder dort zu arbeiten, ich meinte, dass solange wir ein islamisches Umfeld schaffen, müssen Frauen zu Hause bleiben. Wir arbeiten hart, um bald ein sicheres islamisches Umfeld zu schaffen.“

Momentan sind Afghanistans staatliche Universitäten ohnehin noch geschlossen und unklar, welche Fakultäten überhaupt wieder geöffnet werden, denn viele Hochschullehrer sind geflohen.

Undurchsichtige Talibanpolitik

Ghairats Argumentation ähnelt dem Umgang der Taliban mit der höheren Schulbildung für Kinder. Während für Jungen inzwischen wieder die Schulen für die 7. bis 12. Klassenstufe geöffnet wurden, sind Mädchen davon ausgeschlossen, was angeblich nur vorübergehend der Fall sein soll. Doch wurde auch den Mädchen kein Datum genannt und ihnen damit gezeigt, dass den Taliban ihre eigene Auslegung des Islam wichtiger ist als das Recht auf Bildung für Mädchen.

Die New York Times befragte Talibansprecher Sabihullah Mudschahid nach dem Univerbot für Frauen, schließlich hatte er ihnen im August die Fortsetzung ihrer Bildung versprochen. „Es könnte seine persönliche Meinung sein,“ sagte Mudschahid dem Blatt. Ein wirkliches Dementi oder gar eine Verteidigung des Rechts auf universitäre Bildung und Lehre für Frauen ging Mudschahid jedoch nicht über die Lippen.

Ähnliche gelagerte Fälle meldete die afghanische Nachrichtenwebseite Tolo News am Dienstag aus den Provinzen Helmand, Kapisa und Takhar. Dort hatten lokale Taliban den Männern das Rasieren und den Frauen die Nutzung von Smartphones verboten. Ein Sprecher des von den Taliban neu geschaffenen Minsteriums für Tugend und Laster, das im früheren Gebäude des aufgelösten Frauenministeriums untergebracht ist, erklärte, die Anordnungen seien keine offizielle Politik seines Ministeriums.

Offenbar ringen innerhalb der Taliban unterschiedliche Kräfte um die „richtige“ Interpretation des Islam. Frauen haben dabei nicht nur kein Wort mitzureden, sondern zählen zu den größten Opfern.

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