schurians runde welten
: Jürgen Emig und die dialektische Vernunft

„Ich habe mit meiner Forderung einen Fehler begangen, der für mich nur durch meine innere Unzufriedenheit über meine mittlerweile fünfte schwere Verletzung erklärbar ist.“ (Jens Nowotny)

Nun hat es einen unserer Besten erwischt: Doktor Jürgen Emig. Der ehemalige Sportchef des Hessischen Rundfunks und langjährige Radsportreporter, sitzt in Untersuchungshaft, weil er einigen Randsportarten Fernsehminuten im Staatsfernsehen verschafft haben soll. Umgekehrt sollen die Kunden der PR-Firma seiner Frau geworden sein. Für uns bricht eine Medienwelt zusammen.

Emig, der heißt und aussieht wie ein Zahnarzt, aber in Saarbrücken über die „Grenzen des investigativen Journalismus im Sport“ promovierte, ließ für sich selbst keinerlei Grenzen gelten – vor allem wenn es um die Länge seiner Interviewfragen ging: Gesprächspartnern gönnte er selten mehr als ein Ja oder Nein. Und jetzt soll der strafende Gott unter den Fernsehsportlern von der Mattscheibe verschwinden?

Seit Monika Lierhaus als Moderatorin am Etappenort der Tour de France fungiert, haben die Radrennübertragungen ihren Reiz verloren, der früher ja darin bestand, Jürgen Emig beim Besserwissen mit wechselnden Partnern zuzuhören. Ein prima Lehrbeispiel jeder Journalistengrundschule: Wie hält man sich überschätzte Athleten vom Hals? Jetzt soll er die Akteure auch noch ausgenommen haben – richtig so!

Denn was wären Sportler, wenn es den Reporter nicht gäbe, nicht Film, Funk und Fernsehen? Was wäre die Tour, die Fußball-Weltmeisterschaft, der Confederations-Cup ohne Medien? Ein nebensächliches Privatvergnügen. Und so hielt Emig Hof, bat zur Audienz und war dabei Agent der dialektischen Vernunft: Denn kraft seiner Arroganz entlarvte er die am Tropf der Medien darbende Sportszene, rückte die Verhältnisse zurecht. Die Frankfurter Fernseh-Schule wird sonst nur noch von Börsenreportern beherrscht, den Königen unter den Insidern. In Sachen Cross-Vermarktung hat sich Emig nun seine Frankfurter Kollegen zum Vorbild genommen. Wobei auch das nicht ganz stimmt, denn Emigs Ehefrau makelte bereits vor fünf Jahren ein Geschäft zwischen der ARD-Sportschau und der Post AG. Nun zur Schleichwerbung.

Auch hier bricht ein Imperium der Zuversicht zusammen. Autohäuser, Reisekonzerne, Pharmafirmen sollen tatsächlich dafür bezahlt haben, dass ihre Produkte in Vorabendserien oder Filmen zu sehen sind. Pfui! Der Sport ist da viel weiter: Das Staatsfernsehen bezahlt längst dafür, dass sein Logo auf den Trikots des deutschen Eliterennstalls durch Frankreich rollt, Jan Ullrich und die seinen können sich so einer wohlwollenden Berichterstattung sicher sein. Und im Profifußball werden von den Fernseh- und Rundfunkgebühren sogar die Gehälter der kickenden Werbeträger bezahlt, was dann nicht mehr Schleich-, sondern eine Lauf-, Pass- und Schießwerbung ist.

9.7. ETB SW Essen – Schalke

Wer nun wehmütig wird angesichts der komplett vermarkteten Welt, dem sei am Samstag das Freundschaftsspiel im Stadion ‚Am Uhlenkrug‘ in Essen empfohlen. Wenn der schwarz-weiße Ober- gegen den königsblauen Bundesligist spielt, geht es auch noch um die gute Sache: Der Erlös der erhofften 6.000 Besucher kommt der Aids-Hilfe zu gute.

CHRISTOPH SCHURIAN