Protest gegen polnische EU-Politik: Ein Machtkampf, kein Exit

Die Wut in Polen auf die EU-Politik der Regierungspartei PiS ist verständlich. Doch ein Austritt Polens aus der EU ist nicht in Sicht.

eine rießige EU-Fahne, die von vielen Protestierenden gehalten wird

Niemand hat die Absicht die EU zu verlassen, die PIS hat kein Interesse daran Foto: NurPhoto/imago

Es ist schön, wenn in Polen Hunderttausende gegen ein vermeintlich drohendes Ende der polnischen EU-Mitgliedschaft auf die Straße gehen. Allerdings protestierten sie gegen einen „PolExit“, der nicht wirklich droht und vor allem von der polnischen Opposition als mobilisierendes Schreckgespenst benutzt wird.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung hat gar kein Interesse, die EU zu verlassen. Die Milliarden aus den EU-Töpfen erleichtern ihr die Finanzierung einer ambitionierten Sozialpolitik, mit der sie bisher Wahlen gewinnt. Auch braucht Polen die EU als Schutz gegen den aggresiven Nachbarn Russland.

Umgekehrt kann auch die EU Polen nicht aus dem Club werfen. Das ist rechtlich in den EU-Verträgen nicht vorgesehen. Ein EU-Mitgliedsstaat kann nur freiwillig gehen – wie Großbritannien. Auf Vertragsverletzungen kann die EU nur mit Sanktionen reagieren.

Was wir erleben, ist ein Machtkampf zwischen der EU und Polen. Die EU will zurecht ein Verbund demokratischer und rechtsstaatlicher Staaten bleiben. Polen dagegen verlangt, dass sich die EU aus seinen internen Angelegenheiten heraushält. Die PiS-geführte Regierung will ohne Störung von außen weiterhin die Justiz gleichschalten, um ohne richterliche Kontrolle regieren zu können.

Kein Grund zur Zurückhaltung

Die polnische Regierung hat Recht, wenn sie darauf hinweist, dass die EU eigentlich keine Kompetenz hatte, den Aufbau der Justiz in den EU-Staaten zu kontrollieren. Der Europäische Gerichtshof hat sich diese Macht durch ein strategisches Urteil 2018 selbst verschafft. Das aber war richtig und notwendig. Da die EU an vielen wichtigen Stellen immer noch per Einstimmigkeit entscheidet, muss sie sicherstellen, dass sie nicht durch halb-autoritäre Regime erpressbar wird.

Bisher waren der EuGH und die EU-Kommission eher zu vorsichtig. Doch nachdem das gelenkte polnische Verfassungsgericht vorige Woche die polnische Verfassung generell über EU-Recht stellte, besteht nun wirklich kein Grund zur Zurückhaltung mehr.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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