Abschied von einer Freundin

Bei ihrem Abschiedsbesuch in Israel wiederholt Angela Merkel, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson

Aus Tel Aviv Judith Poppe

„Deutschland ist nicht neutral, wenn es um Fragen der Sicherheit Israels geht, sondern die Sicherheit Israels ist Teil unserer Staatsräson“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Abschiedsbesuch in Israel am Sonntag und betonte angesichts der Schoah die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel: „Und demnach müssen wir auch handeln, selbst wenn wir unterschiedlicher Meinung in verschiedenen Einzelfragen sind.“

An Sätzen wie diesen dürfte es liegen, dass der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett den Terminkalender für die scheidende Bundeskanzlerin ungewöhnlicherweise freigeräumt hat und sie außerdem zur Beteiligung an der Kabinettssitzung am Sonntagmorgen einlud.

Merkel ist als besondere Freundin Israels bekannt, trotz des zuletzt kühlen Verhältnisses zu Bennetts Vorgänger Benjamin Netanjahu. Als erste deutsche Politikerin hatte Merkel in ihrer legendären Rede vor der Knesset im Jahr 2008 „die Sicherheit Israels“ als „niemals verhandelbar“ bezeichnet.

Die militärischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind eng. Ein Beispiel ist das umstrittene milliardenschwere Rüstungsgeschäft mit deutschen U-Booten aus dem Hause Thyssen-Krupp, fünf von sechs bestellten sind bereits an Israel geliefert.

Zentrales Thema der Gespräche war der Umgang mit dem Iran. Merkel betonte, die Iraner weiterhin zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch bewegen zu wollen. Israel hält das Atomabkommen jedoch für Augenwischerei und ist gegen ein solches Abkommen.

Deutschland hatte 2015 unter Merkel gemeinsam mit den USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich das Atomabkommen mit dem Iran unterschrieben. 2018 wurde es von den USA unter Trump aufgekündigt. Verhandlungen um eine Neuauflage des Abkommens stagnieren seit Juni. „Die Welt wartet, die Iraner spielen auf Zeit, und die Zentrifugen drehen sich“, kommentierte Bennett.

Kritische Töne in Bezug auf den stagnierenden Friedensprozess und die Siedlungs­politik äußerte Merkel nur sehr vorsichtig. Die Kanzlerin bestärkte zwar, die Zweistaatenlösung solle nicht zu Grabe getragen werden. „Aber wir sind uns einig“, sagte sie, „dass es immer eine Vision eines dauerhaften demokratischen jüdischen Staates Israel geben muss.“ Bennett betonte, ein palästinensischer Staat würde höchstwahrscheinlich Terrorstaat bedeuten.

Am Nachmittag legte die Kanzlerin in Anwesenheit von Bennett einen Kranz in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Va­shem in Jerusalem nieder.

Israels Präsident Yitzhak Herzog kündigte ein Stipendium für herausragende Wissenschaftlerinnen am renommierten Weizmann-Forschungsinstitut in Merkels Namen an. Bei einer Zeremonie in Jerusalem soll Merkel außerdem die Ehrendoktorwürde des Haifaer Technion Instituts verliehen werden.

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