Lukrative Lettern im Volkspark

Spielgeld (18)
Der HSV verkaufte als erster deutscher Club den Stadionnamen auf Zeit. Den Sponsoren hat das kein Glück gebracht

Von Ralf Lorenzen

Wer heute mit Google-Maps navigiert, vergisst schnell, dass auch dieser Dienst mal in den Kinderschuhen steckte. Noch um 2010 geschah beim Heranzoomen an das ehrwürdige Stadion im Volkspark Wunderliches. Je nachdem, welchen Vergrößerungsgrad man wählte, war auf der Karte entweder HSH Nordbank Arena oder Imtech Arena zu lesen. In jenem Jahr war mal wieder ein Namenswechsel vollzogen worden und offenbar noch nicht in allen Tiefen der Datenwelt angekommen.

Zu der Zeit hatte Google gerade seine 2005 erworbenen Anteile an einem anderen Internet-Dienstleister wieder abgestoßen und diesen als Weltmarktführer abgelöst: AOL. Diese drei Buchstaben, heute nur noch als Domain für uralte E-Mail-Konten bekannt, wurden vor zwanzig Jahren aufs Dach des gerade zum reinen Fußballstadion umgebauten Volksparkstadion gehievt.

Damit führte der HSV die Liga endlich wieder an: Erstmals verkaufte ein Fußballverein in Deutschland die Namensrechte an seinem Stadion für eine begrenzte Zeit. Es gab zwar schon die Bayarena und das Gottlieb-Daimler-Stadion – diese Namen waren aber auf Dauer vergeben, weil dem Namensgebern entweder der ganze Verein gehört wie in Leverkusen oder er sich wie in Stuttgart am Umbau des Stadions beteiligt hatte. Der erste Vertrag mit AOL, der dem HSV 30 Millionen Mark einbrachte, wurde für fünf Jahre abgeschlossen, weil die Stadien zur WM 2006 werbefrei sein mussten.

„Wir wollen aber vermeiden, dass der Name ständig wechselt und sind hinterher an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert“, sagte Bernd Hoffmann, der Vorsitzende des HSV-Vermarkters UFA, der eineinhalb Jahre später als Vorstandchef zum HSV wechselte. Der Wunsch erfüllte sich nicht. Welche Buchstaben auch immer aufs Stadiondach montiert wurden – sie waren anscheinend mit einem Fluch belegt.

Während sich der HSV in der AOL-Arena immerhin zweimal für den Uefa-Cup und einmal für die Champions League qualifizierte, verlor der einstige Branchenriese im dynamischen Online-Markt den Anschluss. Der Niedergang, der sich bei AOL schleichend vollzog, erwischte dessen Nachfolger als Namenspatron mit voller Breitseite. Kaum leuchtete das vierzig Tonnen schwere Logo der HSH Nordbank über Stellingen, brach die internationale Finanzkrise über die gemeinsame Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein herein. Die Bank bescherte den Ländern Milliardenverluste und wurde schließlich privatisiert.

Auch der nächste Namenssponsor, die in der Energie- und Gebäudetechnik aktive Imtech-Gruppe, erfüllte den von 2010 bis 2016 geschlossenen Vertrag nicht. Das Tochterunternehmen Imtech-Deutschland musste nach Betrugs- und Bestechungsvorwürfen, Zahlungsschwierigkeiten und Bauverzögerungen wie auf dem Berliner Flughafen BER im Jahr 2015 Insolvenz anmelden. Als nächster erwarb HSV-Investor Klaus-Michael Kühne die Namensrechte für das Stadion, war aber so klug, seinen Firmennamen nicht aufs Dach und damit aufs Spiel zu setzen. Seitdem darf die Arena wieder Volksparkstadion heißen.