Stolperfallen bei Senatsbildungen: Irgendeine wird verlieren

Kommt die Ampel in Berlin? Oder bleibt es doch bei Rot-Grün-Rot? Und welche Chancen hätten diese beiden Bündnisse? Zwei Antworten.

Man sieht zwei Politikerinnen

Wer wird zuletzt lachen? Franziska Giffey oder Bettina Jarasch? Foto: dpa

Die Ampel könnte bald erlöschen

Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne. Sollte sich Franziska Giffey tatsächlich durchsetzen und mit Grünen und FDP in Ampelverhandlungen treten, gäbe es nur eine Siegerin und gleich zwei Verliererinnen. Die Siegerin wäre Giffey selbst, weil sie gezeigt hätte, dass sie nicht nur Wahlen gewinnen, sondern sich auch mit ihrer politischen Vorliebe durchsetzen kann. Verliererinnen wären die Grünen, die gute Miene zum bösen Spiel machen müssen, wie auch jene Kräfte in der SPD, die nicht verstehen, wie Giffey ohne Not eine linke Partei im Senatsbündnis gegen eine neoliberale austauscht.

Doch auch strahlenden Siegerinnen können schnell Sorgenfalten im Gesicht entstehen. Was, wenn die FDP darauf besteht, das Zweckentfremdungs- oder das Umwandlungsverbot abzuschaffen? Ein Bausenator in spe wie Noch-Innensenator Andreas Geisel müsste dann alles rückgängig machen, was er in seiner ersten Amtszeit in diesem Ressort eingeführt hat. Oder aber er sorgt dafür, dass die FDP in den Koalitionsverhandlungen damit erst gar nicht durchkommt.

Immerhin hätte eine Ampel eine Baustelle weniger. Den Liberalen müsste die SPD, anders als bei der Linken, das Bauressort nicht wegnehmen. Stattdessen kann man sie in den Verhandlungen mit dem, sagen wir, Wirtschafts- und Justizressort zu locken versuchen. Vereinbart werden müsste dann – wie auch im Bund – eine gewisse Beinfreiheit für alle Parteien in den Ressorts, die sie verantworten.

Nach den Sondierungen der Ampel am Montag und von Rot-Grün-Rot am Dienstag beraten nun die Parteigremien. Auch ist eine Abstimmung von SPD und Grünen möglich. Das hatte zumindest Bettina Jarasch am Dienstag angedeutet.

Konkrete Termine, etwa für eine Sitzung des Landesvorstands, gibt es bei der SPD noch nicht. Die Grünen müssen Koalitionsverhandlungen auf einem kleinen Parteitag beschließen. Der könnte Ende der Woche einberufen werden. Die Linken haben schon einen Parteitag für das Wochenende terminiert. Zusammenkommen müssen die Delegierten aber nur, wenn sich SPD und Grüne für sie entscheiden. (wera)

inland 7

Auch die Zahl der Ressorts würde bei einer Ampel für die SPD einfacher zu handeln sein. 4-4-2 etwa könnte die Grünen besänftigen, während die FDP mit ihren 7 Prozent schwerlich auf drei Senatorenposten pochen könnte (so sie überhaupt das Personal dafür hätte).

Am Ende aber dürften die Konflikte schwerer wiegen als die Annehmlichkeiten. Um einem kleinen Parteitag schmackhaft zu machen, grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit der SPD zu geben, müssten das grüne Verhandlerteam schon einiges aus den Sondierungen auf den Tisch packen. Ob das reicht, darf allerdings bezweifelt werden. Wie auch viele an der SPD-Basis dürften die Grünen fragen: Warum FDP, wenn auch Linke geht? Schließlich gibt es im Land, anders als im Bund, eine Alternative.

Und dann ist da noch die Sache mit den Mehrheiten. Sechs Stimmen über dem Strich liegt die Ampel. Zieht man die drei SPD-Dissidenten in der Fraktion ab, sind es noch drei. Hinzu kommt eine jüngere, linkere und damit potentiell auch unberechenbarere grüne Abgeordnetenhausfraktion. Die Wahl zur Regierenden Bürgermeisterin wäre also die größte anzunehmende Möglichkeit, Franziska Giffey (und auch Bettina Jarasch) einen Denkzettel zu verpassen. Uwe Rada

Kampf um rot-grün-rote Linien

Fällt die Entscheidung für eine Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition, würden sich die Grünen freuen: Sie hätten sich durchgesetzt. Und auch große Teile der SPD wären glücklich. Doch Franziska Giffey hätte sich den Jubel teuer erkauft: Die designierte Regierende stünde geschwächt da, weil sie sich gleich bei der ersten Kraftprobe mit ihrem Wunsch nach einer Ampelkoalition nicht durchsetzen konnte – weder gegen den Koalitionspartner noch innerhalb der SPD. Das werden sich die Gegner in der eigenen Partei gut merken, die Giffey im traditionell linken Berliner Landesverband hat, aber auch die Koalitionspartner. Die siegreiche Spitzenkandidatin ginge angeschlagen in Koalitionsverhandlungen, die zudem nicht einfach werden dürften.

Denn die Grünen wurden ja nur knapp geschlagen bei der Abgeordnetenhauswahl: 2,5 Prozentpunkte trennten sie vom Wahlsieg. Der kaum kleinere Partner wird Augenhöhe beanspruchen – und zwar erst recht, sollte Giffey sich mit ihrem frühen Bekenntnis zur Ampel verpokert haben.

Ein großer Knackpunkt wird die Frage sein, wie Rot-Grün-Rot mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnkonzerne umgehen will. Mit der Linkspartei, die das Volksbegehren unterstützt hat, wird künftig auch die Initiative quasi mit am Verhandlungstisch sitzen. Doch Giffey hat ein Nein zur Enteignung bereits im Wahlkampf als rote Linie für eine Koalitionsbildung gesetzt.

Eine Möglichkeit: Giffey lässt die Verhandlungen an den Linken scheitern, die kaum von ihrer Position abweichen können, ohne sich bei ihren WählerInnen unglaubwürdig zu machen. Dann hätte sie die Option, der Basis die Ampel doch noch andienen zu können. Zwar haben die Berliner Jusos einen Beschluss pro Enteignung, doch das spiegelt nicht das Bild im Landesverband wider.

Umkämpft wird auch die Frage sein, wer künftig im Senat für Stadtentwicklung und Bauen zuständig sein soll. Die Linke wird dies weiter für sich beanspruchen – aber wenn schon Rot-Grün-Rot kommt, könnte Giffey kaum erklären, warum die SPD dieses Ressort der Enteignen-Fraktion überlässt. Die SPD braucht diesen Posten – es wäre ein kleiner Sieg in der Niederlage für Giffey, den sie für ihr Standing innerhalb der Partei dringend bräuchte.

Die Grünen hingegen werden sich das Umwelt- und Klimaressort nicht streitig machen lassen. In den Verhandlungen dürfte und müsste das ihre „rote Linie“ sein, alles andere wäre der Basis kaum vermittelbar.

Zumal die Grünen im Abgeordnetenhaus im Zweifel eine starke Opposition wären, gegen die ein*e SPD-Umweltsenator*in vermutlich keine Freude beim Regieren hätte. Auch diesem Anfang wohnt also kein Zauber inne. Anna Klöpper

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