Volksentscheid über die Ehe für alle: Die Schweiz sagt: Ja, ich will

Fast zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer sprechen sich für die Ehe für alle aus. Rückhalt kommt aus allen politischen Lagern und Regionen.

Personen feiern in einem Lokal der Befürworter für eine «Ehe für alle». Der Raum Ist voller Luftballone in Regenbogenfarben.

Nach der Abstimmung über die Ehe für alle: Be­für­wor­te­r*in­nen in Bern freuen sich Foto: Peter Schneider/dpa

GENF taz | Kurz nach Schließung der Abstimmungslokale am Sonntag um 12 Uhr regnete es im Netz virtuelle Rosen und Regenbögen: Mit einem Ja für die Ehe für alle war zwar gerechnet worden, schließlich standen Regierung und Parlament quer durch die meisten Fraktionen dahinter. Doch dass die Zustimmung so überwältigend ausfiel, war dann doch eine Überraschung. Ausnahmslos alle Kantone stimmten mehrheitlich mit “Ja“.

Auch in ländlichen Kantonen wie Glarus oder Nidwalden stimmten mehr als 60 Prozent dafür, dass Männer Männer und Frauen Frauen heiraten dürfen. In der Gemeinde Oberems im Wallis stimmten 85,7 Prozent der 49 Abstimmenden mit “Ja“ – ein Rekord. Selbst in den Hochburgen der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) folgte die Bevölkerung mehrheitlich nicht dem Aufruf, mit Nein zu stimmen.

Für die grünliberale Parlamentsabgeordnete Kathrin Bertschy zeigt das: „In der Bevölkerung ist das Anliegen schon lange angekommen.“ Einzig im Parlament habe man hart arbeiten müssen, um Mehrheiten zu gewinnen. Meinungsforscher beobachten einen “Megatrend der Diversität“: Auch Konservative wollten Anderen im Privatleben möglichst wenig Vorschriften machen.

So sprach sich die christdemokratische Partei „Die Mitte“, die die Ehe für alle lange ablehnte, vor der Abstimmung deutlich für ein “Ja“ aus. Geworben dafür hatte auch der offen schwule Mitte-Politiker Markus Hungerbühler. Er glaubt, dass nicht zuletzt die zunehmende Isolation der Schweiz in Europa zu einem Stimmungswandel in der Bevölkerung geführt hat.

Schweiz ist spät dran

Schwulen und Lesben stand in der Schweiz bisher nur eine eingetragene Partnerschaft offen, die der Ehe ähnlich, aber nicht rechtlich gleichgestellt war. Seit der Einführung im Jahr 2007 haben jährlich im Schnitt fast 700 Paare ihre Partnerschaft eintragen lassen. Künftig dürfen verheiratete Schwule und Lesben auch in der Schweiz Kinder adoptieren und sind in vielen anderen Vorgängen wie etwa der Einbürgerung gleichgestellt.

Im europäischen Vergleich ist die Schweiz damit spät dran. Mit Ausnahme von Italien, wo nur eine eingetragene Partnerschaft möglich ist, ist sie das letzte westeuropäische Land, das die Ehe für alle einführt. Leihmutterschaft, die es Schwulen ermöglicht, ohne eine Adoption Kinder zu bekommen, bleibt gleichgeschlechtlichen Ehepartnern dagegen versagt – so wie auch heterosexuellen Paaren.

Rekord bei der Zustimmung

Das hatte Gegnerinnen und Gegner nicht davon abgehalten, mit den angeblichen Gefahren der Leihmutterschaft Stimmung gegen die Ehe für alle zu machen. Die Thurgauer SVP-Abgeordnete Venera Herzog erklärte nach Bekanntgabe der ersten Prognosen, Kindern ihren Vater vorzuenthalten sei keine Frage von Modernität. Damit verweist Herzog auf das mit der Gleichstellung aller Ehen verbundene künftige Recht lesbischer Paare, Samenspenden in Anspruch zu nehmen. Mit der Ablehnung dessen hatten Politikerinnen und Politiker am rechten Rand versucht, ihre Anhänger zu mobilisieren. Ohne Erfolg.

Die Schweiz geht dabei sogar weiter als Deutschland: Beide Ehepartnerinnen dürfen als Mütter anerkannt werden. Und über noch einen Rekord freuten sich die Befürworter: In keinem anderen europäischen Land ist die Ehe für alle mit einer größeren Mehrheit beschlossen worden, schon gar nicht in einer Volksabstimmung. Das alles sei nicht vom Himmel gefallen, erklärte die Sozialdemokratin Jacqueline Badran auf Twitter. Der Dank gebühre der LGBTQ+-Gemeinschaft, die jahrzehntelang gegen Diskriminierungen gekämpft habe.

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