Geflüchtete an der US-Grenze: Verzweiflung am Rio Grande

Das improvisierte Camp an der Grenze zu Mexiko ist aufgelöst. Tausende Hai­tia­ne­r*in­nen wurden per Flugzeug abgeschoben oder flohen nach Mexiko.

Mensch mit Plastiksack geht durch hüfthohes Wasser

Lieber durch den Fluss als zurück nach Haiti: Grenze zwischen den USA und Mexiko Foto: Nick Wagner/dpa

BERLIN taz | Das improvisierte Geflüchtetencamp unter der Grenzbrücke zwischen den USA und Mexiko nahe der texanischen Ortschaft Del Rio ist aufgelöst. Bulldozer schoben am Samstag die letzten Reste der Zeltstadt zusammen, in der in den vergangenen Wochen zeitweise über 14.000 Menschen gelebt hatten, die meisten von ihnen Haitianer*innen.

In der vergangenen Woche hatten die Vereinigten Staaten damit begonnen, Tausende von Hai­tia­ne­r*in­nen aus dem Camp herauszuholen und direkt in Flugzeuge nach Haiti zu setzen. Anfangs flogen drei Maschinen pro Tag in die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince, bis Donnerstag waren es dann schon sieben Flugzeuge täglich.

Offenbar unter diesem Eindruck haben rund 8.000 haitianische Mi­gran­t*in­nen den Weg gewählt, durch den wegen niedrigen Wasserstandes passierbaren Rio Grande auf die mexikanische Seite der Grenze zurückzukehren. Wie es dort mit ihnen weitergeht, ist unklar. Die übrigen wurden nach US-Angaben auf Aufnahmestationen in den USA verteilt, einige wurden mit der Auflage entlassen, sich für die Prüfung ihrer Anträge bei den Behörden zu melden.

Die meisten der Hai­tia­ne­r*in­nen hatten Haiti schon vor vielen Jahren verlassen. Sie waren mehr schlecht als recht in anderen zentral- oder südamerikanischen Ländern untergekommen. Die Hoffnung auf eine liberalere Einwanderungspolitik unter dem neuen Präsidenten Joe Biden hatte sie dazu gebracht, sich gen Norden aufzumachen.

Nachspiel für Peitschenhiebe

Hunderte solcher Mi­gran­t*in­nen, die Haiti nach dem schweren Erdbeben von 2010 verlassen und in den vergangenen Jahren in Brasilien, Chile oder Argentinien gelebt hatten, befinden sich derzeit in einem Zeltlager im Norden Kolumbiens. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichten, dass am Samstag fast 500 Menschen auf einem Hügel vor dem Darién-Urwald kampierten – sie wollen sich in diesen Tagen zu Fuß durch den Urwald nach Panama und von da aus weiter durch Zentralamerika in Richtung USA aufmachen.

In den USA selbst hat insbesondere der Einsatz berittener Polizei gegen die Mi­gran­t*in­nen in Del Rio ein politisches und womöglich auch juristisches Nachspiel. Präsident Joe Biden selbst sagte bei einer Pressekonferenz, die Bilder seien „schrecklich“ und „beschämend“. Die beteiligten Grenzpolizisten müssten für ihr Verhalten „bezahlen“.

Auf Videoaufnahmen war zu sehen gewesen, wie berittene Polizisten mit Peitschen auf Geflüchtete einschlugen. Eine Untersuchung der Vorfälle laufe derzeit, sagte US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas, und sie werde ohne Vorverurteilungen objektiv ablaufen. Allerdings fügte er hinzu: „Diese Bilder haben auf schmerzhafte Weise die schlimmsten Elemente des andauernden Kampfes unserer Nation gegen systemischen Rassismus heraufbeschworen.“

Von konservativer Seite aus musste die Regierung Bidens daraufhin scharfe Kritik einstecken. Die Regierung stehe unter der Knute der linksradikalen De­mo­kra­t*in­nen, deren erklärte Feindschaft zu Polizei und Ordnungskräften ja bekannt sei, hieß es etwa im TV-Sender Fox News.

Von links hingegen kam erneut scharfe Kritik an der Abschiebung der Hai­tia­ne­r*in­nen ohne Anhörung. Die Regierung beruft sich dabei auf eine von Donald Trump eingeführte Sonderregelung, die unter Berufung auf die Coronapandemie die Umgehung des Asylverfahrens zulässt. Das hatten die Demokraten damals stets kritisiert. Es sei aber, sagt heute Mayorkas, nichts daran unmoralisch, die Verordnung zugunsten des Gesundheitsschutzes anzuwenden.

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