Das Ei der Erkenntnis

Rugby will in den Kreis der 28 olympischen Sommersportarten aufgenommen werden. Am Freitag entscheidet das Internationale Olympische Komitee über das Programm der Sommerspiele 2012

VON TIM FARIN

Waisale Serevi ist ein bekannter Mann – in einer fernen Welt des Sports. Sie beginnt jenseits des Rheins. Hierzulande hat man wenig Bezug zu ihr. Serevi war Profi in Frankreich, heute ist er Kapitän des Nationalteams der Fidschi-Inseln. Er hat überdies eine besondere Mission zu erfüllen. Der Insulaner, 37 Jahre alt, soll seinen Sport ins olympische Programm hieven.

Am Freitag entscheidet das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf seiner Session in Singapur, ob es Änderungen gibt im Sportprogramm für die Sommerspiele 2012. Der Rugby-Weltverband IRB hat Serevi als Botschafter nach Singapur geschickt. „Er wird gebraucht, weil er eine kleinere Nation repräsentiert. Das hat eine Hebelwirkung“, glaubt Keni Dakuidreketi, Chef des Rugby-Verbands der Fidschi-Inseln. Vielleicht kann Waisale Serevi als Vertreter einer kleinen Nation die Sympathien der großen Olympier gewinnen.

Das wäre wohl auch ganz nach dem Willen von Jacques Rogge. Der Präsident des IOC mag den Rugby-Sport. Früher spielte er in der belgischen Nationalmannschaft. Keinen Zweifel hat er daran gelassen, dass er den rustikalen Ballsport, der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts olympisch war, gern bei den Sommerspielen sähe. „Das würde uns mehr Universalität verleihen“, sagte Jacques Rogge. Damit spielt er auf die globale Popularität der Sportart an.

Jenseits der deutschen Grenzen ist Rugby Volkssport – ob nun in Frankreich, wo der Rugby die größten Stadien füllt, in Samoa, auf den Fidschi-Inseln, in Australien, Südafrika oder England. Und die globale Beliebtheit steigt, beim Publikum und bei zahlungskräftigen Sponsoren. Die letzten Weltmeisterschaften erreichten Zuschauer in 153 Ländern. Die Sportfans in den USA sprachen sich in einer Umfrage von Sports Illustrated für die Aufnahme ins Olympiaprogramm aus. 2012 könnte das Spiel diese Stufe erklimmen. Beim Treffen der Olympiafunktionäre in Singapur müssen sich alle 28 Sommersportarten einer Prüfung unterziehen lassen.

Eine einfache Mehrheit reicht, um den Verbleib der Sportart auf dem Olymp zu sichern. Als gefährdet gelten Baseball und der Moderne Fünfkampf. Für sie könnten andere Sparten nachrücken. Neben Rugby haben sich Squash, Karate, Inline-Skating und Golf vorgestellt. Bei der Anzahl von 28 Arten wird es freilich bleiben. „Wenn eine Sportart rausfliegt, dann ist Rugby drin“, hofft Volker Himmer, Sportdirektor des Deutschen Rugby-Verbands (DRV).

„Das Problem ist, dass erst ein anderer Sport entfernt werden muss“, relativiert Weltverbandschef Syd Millar, „und da tappen wir im Dunkeln.“ Der IRB und seine Mitglieder haben mit einer Olympia-Kampagne mobil gemacht. Die besten Athleten touren seit Jahren um den Globus, um neue Zielgruppen zu erreichen. Sie präsentierten an Orten wie Dubai, Los Angeles und Singapur die kurzweilige Variante des Rugby: Anders als das traditionelle Spiel mit 15 Spielern pro Mannschaft wird mit jeweils sieben Athleten gespielt; eine Partie ist binnen 16 Minuten vorbei. „Siebener-Rugby ist sehr viel Action, sehr viel Dynamik, man kann es nicht defensiv spielen“, sagt Volker Himmer. Diese spezielle Spielart schlägt der Weltverband nun am Freitag den Olympiafürsten vor.

Doch es regt sich Widerstand. Kein Wunder, die Vertreter der 28 Sportarten betreiben verschärftes Lobbying, wollen ihre Pfründen sichern: „Ein Witz“, hat Denis Oswald über die Miniausgabe des Rugbys gesagt, und der Schweizer ist immerhin Präsident der internationalen olympischen Sommersportverbände. Die Äußerung könnte das IOC nun negativ beeinflussen, fürchten die Kapitäne der führenden Rugby-Nationen. Sie schickten einen Protestbrief an IOC-Chef Rogge. Auch Waisale Serevi unterschrieb ihn: „Wir fordern, dass sich das IOC von diesen schlecht begründeten, unrechtmäßigen und schädlichen Kommentaren distanziert“, heißt es darin.

Die Rugby-Stars wollen, dass in Singapur nur die Ergebnisse der olympischen Programmkommission berücksichtigt werden. Die hat das bisherige Olympia-Programm ausgewertet und die Kandidaten-Sportarten analysiert, Kriterien wie Medienakzeptanz, Universalität, Tradition oder Athletenfreundlichkeit herangezogen. Danach wäre zu erwarten, dass Rugby die Zuschauerzahlen bei Sommerspielen steigern könnte und zur Vermarktung von Olympia einen neuen Impuls beitrüge. Das wäre wohl im Sinne von Rogge – und auch der kleinen Rugby-Gemeinde in Deutschland. DRV-Sportdirektor Himmer weiß natürlich, „dass olympische Sportarten viel mehr Förderung und größere Medienpräsenz erhalten“.

Doch bis 2012 muss Himmer gar nicht warten, um mit der Welt des Waisale Serevi in Kontakt zu kommen. Bei den World Games in Duisburg werden die Topstars des Rugby am 22. und 23. Juli um Medaillen kämpfen. Auf dieser Rheinseite.