RB Leipzig unter Druck: Die Gruppe wird unruhig

Jesse Marsch mag noch so viel Stallgeruch, äh, Brausearoma haben, wenn er nicht bald Siege garantiert, endet seine Zeit als Trainer von RB Leipzig.

RB-Coach Jesse Marsch mit gesenktem Kopf

Melancholie an der Pleiße: Jesse Marsch ist als RB-Coach unter Beschuss der Öffentlichkeit Foto: Jan Woitas/dpa

Das Seufzen von Jesse Marsch war laut und lang. In einer milden Dienstagnacht musste der US-amerikanische Trainer von RB Leipzig mal wieder eine Niederlage erklären, die so recht niemand verstand. „Wir spielen entweder sehr gut oder sehr schlecht“, sagte Marsch nach der 1:2-Pleite gegen den FC Brügge. Weil es gegen die Belgier über weite Teile des Spiels sehr schlecht war, reichte eine frühe Führung nicht, um die ersten Punkte in der Champions-League-Saison zu holen.

„Anstatt Ruhe reinzubekommen, werden wir hektisch“, ärgerte sich Mittelfeldregisseur Kevin Kampl. Viele Ballverluste, mehrfacher kollektiver Sekundenschlaf in der Abwehr und wenig Konsequenz vor des Gegners Tor sorgten auch gegen den vermeintlich schwächsten Gruppengegner für eine Niederlage.

Das Weiterkommen ist in der schweren Gruppe A mit Paris und Manchester City damit fast schon abgehakt. Der Saisonstart bot insgesamt bisher wenige Hochs (4:0 gegen Stuttgart; 6:0 gegen Hertha) und viele Tiefs (0:1 gegen Mainz, 1:4 gegen Bayern, 3:6 gegen Manchester City). Bleibt natürlich die Frage nach dem Warum. „Wir müssen konstanter werden“, forderte Marsch, der gute Ansätze und wenig Zählbares sieht. Ein möglicher Erklärungsansatz ist die Umstellung nach dem Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Marsch.

Nagelsmann hatte – stark vereinfacht – Ballbesitz und eine Fünferkette favorisiert, der neue Coach will dagegen die alte RB-Schule stärken: Umschaltspiel und Viererkette. Laut Medienberichten soll die Mannschaft beim Trainer hinterlegt haben, dass sie sich mit der Viererkette wohler fühlt, doch Marsch will von seiner Idee aber nicht abrücken.

Positive Worte

Nach der Pleite gegen Brügge wurden auch erste Risse zwischen Mannschaft und Trainer deutlich. Marsch hatte „die Gruppe“ zuvor nach jeder Niederlage mit vielen positiven Worten in Schutz genommen. Jetzt deutete er erste personelle Konsequenzen an: „Wir müssen vielleicht eine Entscheidung treffen, was genau unsere beste Mannschaft ist, und mehr und mehr mit dieser Gruppe spielen.“ Das könnte zum Beispiel André Silva treffen. Der Portugiese war im Sommer als Königstransfer für 23 Millionen Euro von Frankfurt nach Leipzig gewechselt und hatte in den ersten Spielen stets in der Startelf gestanden, kam in neun Einsätzen aber bislang nur auf einen Treffer.

Eine Erklärung für die schwache Saisonphase ist mit Sicherheit auch der Aderlass im Sommer. Mit Nagelsmann wechselten drei Co-Trainer, Abwehrchef Dayot Upamecano und Kapitän Marcel Sabitzer von der Pleiße an die Isar. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – trotz aller Beteuerungen von Bayern-Vorstand Oliver Kahn „nicht gezielt jemanden“ zu schwächen.

Nun ist RB in Sachen Fußballkapitalismus nun wahrlich kein Kind von Traurigkeit, und das nötige Kleingeld für personelle Erneuerung stand im Sommer parat, doch so langsam drängt sich die Frage auf, ob die Verantwortlichen um Geschäftsführer Oliver Mintzlaff bei der entscheidenden Position daneben gegriffen haben: beim Trainer. Die Idee klang eigentlich ganz charmant. Marsch hat viel Stallgeruch, lernte bei den NewYork Redbulls, war später Co-Trainer in Leipzig unter Ralf Rangnick und danach erfolgreich Chefcoach bei RedBull Salzburg. Quasi ein firmeninterner Aufstieg, wie es im Brausekosmos gerne gesehen ist – was alleine 18 Spielerwechsel von Salzburg nach Leipzig belegen. Doch vielleicht sind Nagelsmanns Fußstapfen in Leipzig eine Nummer zu groß.

„Wir sind mehr denn je von unserem neuen Trainer überzeugt. Da gibt es gar kein Fragezeichen, sondern ein großes Ausrufezeichen“, hatte Mintzlaff zuletzt betont. „Wir wussten, dass es im Vergleich zu Julian ein Stück weit weg von Ballbesitz hin zu mehr Pressing- und Umschaltspiel geht und dass das etwas braucht.“ Auf der anderen Seite muss RB Leipzig unbedingt das Saisonziel Qualifikation für die Champions League erreichen, andernfalls ist der ebenso talentierte wie teure Kader auf Dauer nicht zu tragen.

In dieser Drucksituation sagt Coach Marsch in verschiedenen Abwandlungen und in feinstem Denglisch gerne folgenden Satz: „Das Wichtigste für uns ist, Ergebnisse zu finden.“ Die Suche geht heute Abend in der Bundesliga weiter: Verlieren die Leipziger gegen Aufsteiger VfL Bochum (Anstoß 18:30 Uhr) wären die Leipziger vollends von der Marsch-Route abgekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.