„Rabenväter“ und politisches Amt: Wahrscheinlich irgendwie schwierig

Wann werden in Deutschland Beruf und Familie vereinbar sein? Voraussichlich erst dann, wenn die Sache auch für Männer richtig unbequem wird.

Eine Illustration zeigt eine Gruppe von Menschen, ein Mann trägt ein kleines Mädchen auf den Schultern, eine Frau gibt einem Mädchen einen Apfel

Männer müssen dringend mehr Care-Arbeit leisten Foto: Rosie Scott/imago

Selbst wer sich noch nicht sicher ist, wo er oder sie kommenden Sonntag das Kreuz bei der Bundestagswahl setzen soll, weiß wahrscheinlich auswendig, wie viele Kinder Annalena Baerbock hat. Zwei nämlich, sie sind sechs und zehn Jahre alt.

Aber wie viele Kinder hat eigentlich Armin Laschet? Oder Olaf Scholz? Und wer kümmert sich um die, sollte einer von ihnen Kanzler werden?

Ok, die beiden sind zwei Jahrzehnte älter als Baerbock, ihre Kinder – sollten sie welche haben – demnach vermutlich auch. Andererseits, manche Männer werden in deren Alter ja überhaupt erst Vater. Sagen wir, Robert Habeck wäre der grüne Kanzlerkandidat geworden. Der ist Anfang 50 und könnte durchaus noch schulpflichtige Kinder haben. Wurde der vor Bekanntgabe von Baerbocks Kandidatur jemals danach gefragt, wie er eigentlich gedenkt, für seine vier Kinder da zu sein, wenn er Kanzler würde?

Eigentlich sollte es total egal sein, wie viele Kinder ein Politiker oder eine Politikerin hat. Weil es nämlich kein Problem sein sollte, einen verantwortungsvollen Job und eine Familie miteinander zu vereinbaren. Leider ist das in Deutschland ein Problem. Und es wird nicht verschwinden, solange es nur als Problem von Frauen angesehen wird.

Wie viele Kinder haben jetzt Sie?

Bei männlichen Spitzenpolitikern, Sportprofis oder Vorstandschefs wird irgendwie immer davon ausgegangen, dass sie schon eine Frau zuhause haben werden, die sich um die Kinder kümmert. Dass sie dort wahrscheinlich höchstens mal vorbeischauen wenn die Kleinen schon im Bett sind und für deren Erziehung 0,3 Prozent der emotionalen Verantwortung übernehmen – normal halt. Erst wenn eine Frau, noch dazu eine junge, einen verantwortungsvollen Posten betritt, scheint es den Meisten aufzufallen: Stimmt, so einen Job mit einer Familie zu vereinbaren, ist wahrscheinlich irgendwie schwierig.

Ich möchte, dass wir anfangen, jeden neuen männlichen Dax-Vorstand, jeden Bundesliga-Spieler vor einem wichtigen Vereinswechsel und jeden Kandidaten für egal welches Amt zu fragen, wie viele Kinder er hat und wer sich eigentlich um die kümmern wird. So lange, bis beruflich erfolgreiche Männer meinen, sie hätten jemanden das Wort „Rabenvater“ zischen hören, wo auch immer sie in ihrem Anzug aus ihrem Mercedes aussteigen.

Vielleicht wird dann irgendwann die 30-Stunden-Woche zur Regel. Es wird genügend Kitaplätze und Ganztagsbetreuung an Schulen geben. Sich Führungspositionen zu teilen und Elternzeit zu nehmen wird zur Normalität, egal für welches Geschlecht. Und Menschen, die sowohl im Beruf als auch in ihrer Familie und ihren sozialen Beziehungen Verantwortung übernehmen, werden dafür anerkannt und nicht kritisch beäugt.

All das wird erst passieren, wenn wir es nicht mehr normal finden, dass Männer so verdammt wenig Care-Arbeit übernehmen, wie sie es derzeit in Deutschland noch tun. Denn sie sind es, die in den Parlamenten die Mehrheit der Abgeordneten darstellen und in den Unternehmen die meiste Entscheidungsmacht besitzen. An der nicht so richtig vorhandenen Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird sich also erst etwas ändern, wenn es für Männer unbequem wird.

Armin Laschet hat übrigens drei Kinder, Olaf Scholz keine.

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Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

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