Osman Engin
Die Coronachroniken
: Qualvolle Quarantäne

Foto: privat

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Mein Sohn Mehmet, der ewige Student, ist jede Nacht unterwegs, und das passt mir gar nicht. Irgendwann wird er Corona nach Hause schleppen. Eines Morgens kommt er aufgebracht mit einem Brief ins Wohnzimmer.

„Vater, ich fass es nicht! Ich soll Covid-19 haben!“, brüllt er.

„Was ist das denn? Das neue Modell von Renault?“, frage ich.

„Vater, lebst du auf dem Mond? Das ist doch Corona!“

„Ach so, weil du so rumbrüllst, konnte ich dich nicht richtig verstehen.“

„Ich bin angeblich coronakrank und darf die Wohnung 43 Tage lang nicht verlassen!“

„Mehmet, ich hab dir doch gesagt, dass du dich nicht andauernd in Diskos und Bars rumtreiben sollst, sonst wirst du dieses tödliche Virus mit nach Hause bringen! Herzlichen Glückwunsch, du hast es endlich geschafft!“

„Die Diskos und Bars sind doch schon seit Monaten zu, falls du es noch nicht gehört hast.“

„Aber du warst doch jede Nacht draußen.“

„Ja, weil ich nachts nicht schlafen kann. Mein Biorhythmus ist anders gepolt. Außerdem bin ich überhaupt nicht krank, wie du siehst.“

„Das ist ja das hinterhältige an dieser blöden Krankheit. Die jungen Leute infizieren sich, werden leider überhaupt nicht krank, stecken aber alle anderen Menschen an. Setz’sofort deine Maske auf!“

„Aber wie kommen die darauf, dass ich Corona habe? Ich hab doch keinen Test gemacht.“

„Mehmet, willst du es etwa besser wissen als das deutsche Gesundheitsamt? Vielleicht ist jemand aus deinem Freundeskreis infiziert. Ab sofort bist du in deinem Zimmer unter Quarantäne gestellt. Wenn du artig bist, stelle ich dir dreimal am Tag etwas zu essen vor die Tür.“

Um 2.37 Uhr in der Nacht werde ich durch ohrenbetäubende Bombardements der russischen Kriegsflotte aus dem Schlaf gerissen.

„Eminanim, der Russe ist da!“, stammele ich panisch, noch schlaftrunken.

„Nein, der Türke ist da! Mehmet ist wach geworden und hat Musik angemacht.“

„Mehmet, mach sofort diesen Lärm aus! Du weckst die ganze Straße auf“, brülle ich.

Er stellt die Musik etwas leiser, aber fängt an, mit all seinen Kumpels lautstark zu telefonieren.

Nach 72 Stunden ohne Schlaf gebe ich auf.„Eminanim, das geht so nicht weiter. Ich hebe seine Quarantäne wieder auf. Sonst werde ich krank!“, stöhne ich.

„Bist du etwa die Gesundheitsbehörde? Du darfst seine Quarantäne gar nicht aufheben.“

„Doch, kann ich. Ich habe ihm ja diesen Brief geschrieben.“