Krankenhausbewegung in der Volksbühne: Politisches Theater als Verstärker

Die Streikenden von Charité und Vivantes sind zu Gast in der Volksbühne. Sie berichten von den tödlichen Folgen profitorientierter Krankenhäuser.

Pressekonferenz auf der Bühne des roten Salons

Die Krankenhausbewegung in der Volksbühne Foto: Erik Peter

BERLIN taz | René Pollesch wollte sich nicht in den Vordergrund drängeln. Also betrat der erst seit September amtierende Volksbühnen-Intendant für seine Begrüßung der Pressekonferenz der streikenden Krankenhaus-Pflegerinnen gar nicht erst die Bühne im Roten Salon, sondern blieb davor stehen. Statt in die Kameras vor sich zu gucken, drehte er sich um zu den Frauen auf dem Podium, drückte seine Freude aus, dass sie da sind, und versicherte ihnen: „Die Belegschaft der Volksbühne steht hinter euch; ihr habt unsere volle Solidarität.“ Drei Sätze, mehr nicht; Abgang Pollesch. Auftritt der Hauptpersonen.

Das waren an diesem Dienstagvormittag drei Pflegerinnen und eine Hebamme von Vivantes, eine Intensivpflegerin der Charité sowie die Tochter einer Patientin, die auch aufgrund mangelnder Versorgung in einem landeseigenen Berliner Krankenhaus verstorben ist. Sechs Frauen, fünf davon seit 27 Tagen im Streik, und eine Botschaft: „Unser Verlangen nach mehr Personal rettet Menschen.“ Es sei nicht der Streik, der das Partientenwohl gefährdet, sondern der Normalzustand.

Dass die Gefahr, unterversorgt zu bleiben, zu warten, ob nur auf den Toilettengang oder auch auf lebensnotwendige Behandlung, real ist und nicht nur „gefühlt“, wie es die Krankenhaus-Manager (Ma-na-ger!) von Vivantes behaupten, machten die Pflegerinnen deutlich: Unterbesetzte Intensivstationen, wo ein Notfall den Ausfall der Versorgung für alle anderen bedeutet; Hebammen, die mehrere Geburten gleichzeitig betreuen; zur Eigensicherung festgeschnallte Patienten, weil eine Dauerwache nicht finanzierbar sei. Dass diese Zustände in einem reichen Land beschämend sind, auch das wurde deutlich.

Doch obwohl das Problem auf Profitmaximierung getrimmter Krankenhäuser eines ist, das potenziell je­de:n betrifft, fällt der allgemeine Aufschrei, die Empörung über verhandlungsunwillige Geschäftsführungen – mehr bei Vivantes als der Charité – und nicht eingreifende Po­li­ti­ke­r*in­nen weiterhin mau aus. Der Auftritt war daher auch ein Hilferuf, ein „Mischt euch ein“. Dass die Volksbühne dafür als Verstärker fungiert, ist ein Fortschritt: Ein Theater, das sich seiner Wurzeln als politisches Theater mit gesellschaftlicher Verantwortung entsinnt, kann einen Unterschied machen.

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Seit der Besetzung der Bühne vor vier Jahren von jungen Schauspielerinnen und Ak­ti­vis­t*in­nen lebt der Traum eines demokratisch organisierten Hauses, das Heimat für die politische Linke und gesellschaftliche Kämpfe ist. Die Besetzerguppe Staub zu Glitzer blieb dran und organisierte nun den Gastauftritt der Krankenhausbewegung. Auf der Kundgebung draußen sang Dirk von Lowtzow von Tocotronic über Solidarität. Der Anfang ist gemacht.

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