Volksentscheid Enteignung: Die Angst regiert schon zu lange

Wohnungen müssen Schutz bieten, nicht Aktionäre reicher machen. Ein Ja zum Enteignen-Volksentscheid ist deshalb die richtige Wahl.

DW-enteignen-Aktivist*innen bei der Mietenwahnsinndemo im September in Berlin Foto: Stefan Boness/Ipon

Ist die Vergesellschaftung nicht viel zu teuer, rechtlich unsicher und kommt letztlich eh nicht? Wir Wäh­le­r*in­nen werden es nur erfahren, wenn wir dem Volksentscheid zu einer Mehrheit verhelfen. Es gibt keinen Grund, es dem nächsten Senat leicht zu machen, indem wir uns von gefühlten Bedenken leiten lassen oder der Angstmacherei der Immobilienlobby und ihrer politisch Verbündeten auf den Leim gehen. Stattdessen gilt es zu sagen, was wir erwarten: bezahlbare Mieten, Schutz vor Verdrängung, Wohnraum, der kein Spekulationsobjekt ist. Genau darum geht es bei diesem Volksentscheid.

Mit Nein zu stimmen, hieße, die gegenwärtigen Zustände zu legitimieren. Konsequenterweise müsste man dann auch die Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften befürworten. Mehr Profit aus unseren Wohnungen! Genau das hat die Politik in den vergangenen Jahrzehnten ermöglicht – ohne, dass wir je gefragt wurden. Selbstverständlich nicht: Ein solches Programm hätte in der Mieterstadt Berlin niemals eine Mehrheit gefunden. Auch anderswo nicht. Nun dürfen wir endlich einmal mitreden: Vermasseln wir es nicht.

Und nein, es geht bei dieser Wahl nicht um Symbolik, sondern darum, die Verhältnisse vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wohnungen müssen Schutz bieten, nicht Aktionäre reicher machen. Sie müssen für alle Menschen in jedem Teil der Stadt verfügbar sein, statt eine räumlich geteilte Gesellschaft zu produzieren. Nur ein großflächiger Eigentümerwechsel, also die Ablösung profitgetriebener durch gemeinwohlorientierte Akteure, wird den Wohnungsmarkt dauerhaft entspannen. Wenn das gelingt, muss es auch gar nicht mehr Markt heißen.

Vereinbarungen mit den Konzernen, damit die ihre Maximalinteressen für ein paar Jahre zurückstellen, werden dagegen die Probleme nicht beheben, sondern aufschieben. Das Volksbegehren fordert zurecht keine schärfere Mietpreisbremse oder Reduzierung der Modernisierungsumlage, sondern ein anderes, menschenwürdiges Modell. Der Weg dahin ist die Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes. Nur weil dieser Weg noch nie gegangen wurde, hat er nicht an Gültigkeit eingebüßt.

Bei einem Erfolg muss die nächste Regierung diesen Weg einschlagen, das ist ihr demokratischer Auftrag, an dessen Erfüllung auch ihre Legitimität gebunden ist

Bei einem Erfolg muss die nächste Regierung diesen Weg einschlagen, das ist ihr demokratischer Auftrag, an dessen Erfüllung auch ihre Legitimität gebunden ist. Sie muss sich jede notwendige Expertise besorgen, um ein wasserdichtes Vergesellschaftungsgesetz zu erlassen, die Angemessenheit der Maßnahme klug begründen und bei der Höhe der Entschädigungszahlungen eine Anforderung des Grundgesetzes nicht aus den Augen verlieren: das Interesse der Allgemeinheit.

Womöglich dauert das alles Jahre, aber die Zeit haben wir jetzt auch noch. Die Angst regiert diese Stadt schon viel zu lange.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.