die woche in berlin
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Endlich wieder Kunst! Die Berlin Art Week war ein Erfolg. Leider wieder unverständlich: neue Coronaregeln des Senats. Und: klare Worte des Bundespräsidenten zur Debatte über den Umgang mit kolonialer Raubkunst

Schlange
stehen
für die Kunst

Die Berlin Art Week lockte vor allem ein Berliner Publikum an

Nein, VIP musste man nicht, sein, eine Einladung war bei den meisten Veranstaltungen der Berlin Art Week nicht nötig. Dass sich trotzdem beim Einlass zu Eröffnungen der großen und kleinen Kunstinstitutionen in der vergangenen Woche teilweise recht lange Schlangen bildeten, lag an einer anderen Art von Türpolitik, nämlich daran, dass Impfzertifikate, Test­ergebnisse und Zeitfenstertickets am Einlass kontrolliert wurden.

Zehntausende hätten die zehnte Ausgabe der Berlin Art Week besucht, hieß es am Montag in einer Pressemitteilung der veranstaltenden Kulturprojekte. Fraglich zwar, wie so etwas bei der Vielzahl an Spielorten gezählt wird, den subjektiven Eindruck spiegelt die Zahl aber durchaus wider. Voll, aber nicht zu voll war es überall. Zwar traf man hauptsächlich auf Berliner*innen, dass die aber offensichtlich wieder große Lust am gemeinsamen Erleben von Kunst haben, ist ja auch ein positives Signal.

Dem Publikum von auswärts wiederum ist es nicht zu verdenken, dass es eher wegblieb: Einige sind gewiss noch zurückhaltend, was Reisen angeht, außerdem gab es jede Menge Konkurrenzprogramm. Während der ersten Phase der Pandemie war ja vielerorts noch die Rede davon, man müsse weg von den vielen Events, zumindest für diesen September ist aber eher das Gegenteil zu vermelden. Düsseldorf, München, Berlin, Zürich – mittlerweile ist die Kunstkarawane bei der Art Basel angekommen. Bei dem Überangebot an Kunstprogrammpunkten im September (von den anderen Kulturformen ganz zu schweigen) ist es nur gesund, sich auf die in der eigenen Umgebung zu konzentrieren.

Zufrieden äußerten sich im Gespräch auch die Berliner Galerist*innen. Viel los war bei den Beteiligten und auch den Nichtbeteiligten des fortan zweimal im Jahr stattfindenden Gallery Weekends. Erst noch etablieren muss sich dabei allerdings die thematische Ausrichtung der Septemberausgabe. Etwas enttäuschend war es, dass das Motto „Discoveries“ nicht überall konsequent umgesetzt wurde.

Viele blieben lieber doch bei den großen Namen, anstatt dem Nachwuchs oder anderen noch nie in der eigenen Galerie gezeigten Künst­le­r*in­nen eine Bühne zu geben. Oder sie zeigten einfach zwei Ausstellungen, eine große der schon Großen und eine kleinere der „Discoveries“. So fand etwa die erste Einzelausstellung von Cemile Sahin bei Esther Schipper nur in einer Raumnische statt – was aber vermutlich schlicht an der fast schon musealen Größe der Galerie gelegen hat.

Nicht nur über viel Publikum, sondern auch über den mit 10.000 Euro dotierten VBKI-Preis für Galerien freuen konnte sich Alexander Levy für seine Einzelausstellung der taiwanesischen Künstlerin und Filmemacherin Su Yu Hsin. Wie die meisten während der Art Week eröffneten ist diese Schau noch eine Weile zu sehen. Der Termin für die 2022er Berlin Art Week steht auch schon fest: Vom 14. bis 18. September soll sie stattfinden.

Beate Scheder

Senat sorgt wieder unnötig für Aufregung

Der Impfnachweis muss jetzt digital sein – aber nur bei 2G

Was soll das? Warum kommt es beim rot-rot-grünen Senat in Sachen Corona immer wieder zu Entscheidungen, die einen nur Fragezeichen sehen lassen? Erst vor einer Woche ließ die Landesregierung bei ihrem 2G-Optionsmodell die Unter-12-jährigen erst außen vor, um sich dann tags darauf mit viel Asche aufs Haupt zu korrigieren.

Die dürften daraus gelernt haben, sollte man meinen. Aber nein, an diesem Dienstag folgte in der Senatssitzung mit der Pflicht zum digitalen Impfnachweis der nächste Fauxpas. Dass der papierene gelbe Impfausweis als Beleg für eine Schutzimpfung gegen Corona nicht mehr ausreicht und ab Sonntag ein Nachweis übers Handy oder mit ausgedrucktem QR-Code Vorschrift ist, mag ja Sinn haben. Vielleicht (hoffentlich jedenfalls ist diese Idee nicht aus reinem Bauchgefühl heraus entstanden) hat die Landesregierung vom Landeskriminalamt konkrete Hinweise erhalten, dass hier Fälschungen in signifikantem Ausmaß im Umlauf sind.

Aber wenn das so ist – wieso ist dieser digitale Nachweis dann nur Pflicht im Zusammenhang mit der 2G-Regelung? In einem Restaurant, dass sich für 2G entschieden hat, also drinnen nur Geimpfte und Genesene bewirtet, ist nun der digitale Nachweise nötig. Aber beim Lokal gleich nebenan, dass sich für 3G entschieden hat und also auch Getestete reinlässt, reicht weiter der gelbe Ausweis, der angeblich fälschungsanfälliger ist?

Soll das eine Werbung für 2G-Gaststätten und Veranstaltungsorte sein? Weil man und frau dort sicherer vor Menschen sind, die genug kriminelle Energie besitzen, ihren gelben Impfausweis zu fälschen? Und warum soll es beispielsweise bei Sportveranstaltungen nicht genauso wichtig sein, die Besucher vor anderen Zuschauern oder Mitsportlern zu schützen, die eigentlich gar nicht geimpft sind?

Grundsätzlich setzt das ganze System ohnehin voraus, dass alle Inhaber und Betreiber wirklich jeden Nachweis genau kontrollieren. Das passiert manchmal tatsächlich, manchmal aber auch nicht, so wie im Zug bei der Kontrolle der Bahncard als Ermäßigungsnachweis,

Zurück lässt die Senatsentscheidung Menschen, die sich all diese Fragen stellen und nun vielleicht teilweise noch mehr am ganzen Regelwerk zweifeln. Nötig war das nicht. Stefan Alberti

Diplomatische Hiebe und klare Worte

Prominente RednerInnen üben klar Kritik im Humboldt Forum

So hatten sich die Macher des Humboldt Forums ihre feierliche Eröffnung der Ethnologischen Ausstellung gewiss nicht vorgestellt. Zwar hatten sie mit der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie eine prominente „afrikanische Stimme“ eingeladen, von der kritische Töne zu erwarten waren. Und es überraschte wohl niemanden, dass Adichie am Mittwoch erfrischend offene Worte fand zur zögerlichen Haltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) bei der Frage der Rückgabe von Raubkunst. Wenn Europa seine propagierten Werte von Freiheit, Toleranz und der Herrschaft des Rechts ernst nehme, mahnte sie, könne „eine Nation, die dies hochhält, nicht diskutieren, ob sie gestohlene Güter zurückgibt“. Und es sei auch nichts anderes als „Paternalismus und Arroganz“, wenn man Rückgaben mit dem Argument verweigere, Afrikaner könnten nicht richtig auf ihre Kunstwerke aufpassen.

Auch ihr Vorredner Frank-Walter Steinmeier übte in seiner diplomatischen Art unüberhörbare Kritik an diesem „Ort von nationaler Bedeutung“, der bisher mehr Fragen aufwerfe als Antworten gebe. Wie Adichie verwies der Bundespräsident auf die Werte der Aufklärung, die erforderten, dass man auch „die politische Geschichte der westlichen Moderne“ kritisch hinterfrage. Sprich: Auf wessen Schultern sie gebaut wurde, auf wessen Kosten und mit welchen Folgen?

Diese Fragen würden heute mit „großer Wucht und Dringlichkeit“ gestellt, vor allem von jenen, so Steinmeier, die „in westlichen Diskursen lange keine Stimme hatten“. Und es war nicht nur ein Hieb gegen die Museumsmacher, sondern überhaupt gegen konservative Weltbildbewahrer, die das rekonstruierte Schloss nur zu gerne zur nationalen Neubestimmung nutzen würden, als er fortfuhr: „Black Lives Matter, Rassismus, Diskriminierung, globale Gerechtigkeit, koloniale Raubkunst“ seien notwendige globale Debatten – es sei „politisch gefährlich“, sie als „identity politics“ abzutun.

Eindringlich war auch, wie Steinmeier über die Verdrängung der Kolonialvergangenheit im Kollektivgedächtnis der Deutschen und deren Folgen sprach. Das damals begangene Unrecht „geht uns als Gesellschaft als Ganze an“. Denn die Wurzeln von Diskriminierung und Alltagsrassismus heute „werden wir nur überwinden können, wenn wir die blinden Flecken unserer Erinnerung ausleuchten“.

Aufgabe des Humboldt Forums sei nun, all diese verdrängten Geschichten zu erzählen – und zwar auch aus der Perspektive der „Anderen“, etwa der afrikanischen Staaten, „die einen immensen Teil ihrer Kunst verloren haben durch die Raubzüge der Europäer“. Denn hinter „nicht wenigen“ Objekten unserer Museen, so Steinmeier, stehe „eine Geschichte von Unterwerfung, Plünderung, Raub und Mord“.

Das Humboldt Forum, darin waren sich beide RednerInnen einig, muss also in einen echten Dialog mit den Nachfahren ehemals kolonisierter Länder kommen, wenn es seine „Sinnhaftigkeit“ (Steinmeier) beweisen will. Wobei das Zuhören alleine nicht genüge, so Adichie, es müssten „Taten“, sprich: die Rückgabe aller gestohlenen, mit Gewalt genommenen und „heiligen“ Dinge folgen.

Den Machern eines Museums, das bislang trotz ihres ständigen Blablas von „Dialog auf Augenhöhe“ höchst traditionell daherkommt, müssen die Ohren geklingelt haben. Susanne Memarnia

So hatten sich die Macher des Humboldt Forums ihre feierliche Eröffnung der Ethnologischen Ausstellung gewiss nicht vorgestellt

Susanne Memarniaüber prominente Kritik am Rückgabediskurs