taz Talk mit Bettina Jarasch: „Das ist ein Juwel!“

Im letzten taz Talk mit Berlins Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen schließt Bettina Jarasch eine Bebauung des Tempelhofer Feldes aus.

So schön grün hier: Bettina Jarasch, Grünen-Spitzenkandidatin, auf dem Tempelhofer Feld Foto: dpa

BERLIN taz | Richtig gelöst wirkt die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch erst bei der Frage, ob sie Verständnis dafür habe, wenn ihr offen kommunizierter katholischer Glaube bei manchen Wäh­le­r*in­nen im insgesamt wenig gläubigen und schon gar nicht katholischen Berlin Bedenken auslöse. Die Antwort hat die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen parat: Eine Regierende Bürgermeisterin mit ethischen Kriterien sei doch gut für die Stadt, sagt Jarasch. Und fügt hinzu: Den Dialog über diese Frage habe sie schließlich jahrelang geübt. „Da haben mich meine Grünen schon auf Herz und Nieren geprüft!“

Die katholische Kirche hätte ja durchaus manches Unrühmliche in ihrer Geschichte, hatte Redaktionsleiter Bert Schulz beim taz.berlin Talk mit Jarasch eher vorsichtig gefragt. Die katholische Kirche habe „sehr Unrühmliches in ihrer Geschichte“, stellt die Grüne klar; es tue ihr deshalb gut, dass sie hier in der Minderheit sei. Überdies sei sie in ihrer Kirche, erklärte Jarasch, ja „der linksradikale Rand. Und das bin ich sonst selten.“

Tatsächlich präsentiert sich die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, die als letzte der Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen der großen Berliner Parteien zum taz Talk eingeladen war, im Gespräch mit den LeiterInnen der taz.Berlin-Redaktion Anna Klöpper und Bert Schulz am Montagabend deutlich als Realpolitikerin. Leh­re­r*in­nen wieder verbeamten? Ja, weil es anders nicht gehe, sagt Jarasch, und vollzieht damit eine 180-Grad-Wende zur bisherigen Grünen-Position: Wenn an manchen Schulen bis zu 80 Prozent Quereinsteiger unterrichteten, weil ausgebildete Lehrkräfte dahin abwanderten, wo sie verbeamtet würden, „dann müssen wir sie an diese Stadt binden“ – auch wenn die Verbeamtung nicht ihr erster Wunsch sei, so Jarasch.

Große Immobilienfirmen enteignen? Sie selbst werde am 26. September für das entsprechende Volksbegehren stimmen, wiederholte Jarasch in der taz Kantine, obwohl Bundesparteichefin Annalena Baerbock im Triell am Sonntag das Gegenteil behauptet hatte. Trotzdem bleibe das Mittel der Enteignung für Jarasch nur der letzte Weg. Aber: „Wir brauchen den Druck des Volksbegehrens.“

Damit will Jarasch große Eigentümer an den Tisch holen, um sie in Verhandlungen zu sozialen Mietregulierungen zu verpflichten, und so schneller „und rechtssicher“ Erleichterung für Berlins Mie­te­r*in­nen zu erreichen. „Denn die Unternehmen werden gegen den Gesetzentwurf klagen, und das wird Jahre dauern. Wollen wir diese Zeit ungenutzt verstreichen lassen?“

Auch „Autos verbieten“ wolle sie gar nicht, stellt Jarasch klar. Ebenso wenig aber, dass die Stadt zu einer „Asphalthölle“ werde, „aus der nur noch Reiche fliehen können“. Deshalb müsse der ÖPNV ebenso wie Rad- und Fußwege massiv ausgebaut und der Autoverkehr deutlich reduziert werden: „Es geht um die Zukunft und unser aller Leben!“

Überhaupt seien „die Grünen im Roten Rathaus“ angesichts der Dringlichkeit des Klimawandels auch in Berlin „die einzige Option“. Bei der Umsetzung verkehrspolitischer und Klimaziele habe man in der vergangenen Legislatur „viel dazugelernt“, kontert sie die Kritik der Mo­de­ra­to­r*in­nen daran, dass nicht einmal die grüne Verkehrssenatorin selbst mit dem Erreichten zufrieden sei: „Jetzt müssen wir führen!“

Sätze mit Ausrufezeichen

Allein beim Tempelhofer Feld zeigt sich die grüne Spitzenkandidatin nicht kompromissbereit und verwies auf ein Plakat der Grünen dazu: „Einfach mal so lassen“, stehe darauf. Das Feld sei wichtig für das städtische Klima und aus sozialen Gründen „als Freifläche für den am dichtesten besiedelten Bezirk der Stadt, wo viele Menschen wohnen, die keine eigenen Gärten haben“. Das Feld sei zudem ein Unikat, das Berlin auszeichne.

Und als Seitenhieb auf die Kan­di­da­t*in­nen der SPD und der CDU, Franziska Giffey und Kai Wegner, die in der Woche zuvor beim taz Talk die Randbebauung des Feldes mit den fast identischen Worten gefordert hatten, sagt Jarasch: „Wir brauchen keinen Central Park, wie haben den Tiergarten. Ich bin doch nicht verrückt und baue dieses Feld zu, das ist ein Juwel!“

Nicht nur dafür erntet sie Applaus von den meisten der gut 50 Gäste, die in der taz Kantine dem Gespräch folgten. Weitere 50 sehen die Debatte im Livestream auf Youtube. Bettina Jarasch hat damit auch das meiste Publikum der vier taz Talks. Die Nominierung der 52-Jährigen zur Spitzenkandidatin der Grünen war für viele eine Überraschung: Jarasch, gebürtige Augsburgerin, war von 2011 bis 2016 Landesvorsitzende der Berliner Grünen und saß ab 2016 als Sprecherin für Integration und Flucht sowie Religionspolitik ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Außerhalb politisch aktiver Kreise war sie jedoch kaum bekannt.

„Ich will mit dieser Koalition weitermachen“

Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass die grüne Spitzenkandidatin viele ihrer Sätze hörbar mit Ausrufezeichen versieht: Dass sie die richtige Wahl ist, muss sie auch vielen grün-affinen Wäh­le­r*in­nen in diesem Wahlkampf erst beweisen. Dass ihre Partei Ende vergangener Woche bei einer Civey-Umfrage nur noch auf 15 Prozent und damit Platz vier hinter SPD, CDU und Linken kam, wischt sie am Montagabend dennoch selbstbewusst weg: „Wir sind heute bei dem gleichen Institut schon wieder auf Platz zwei!“

Und äußert sich, anders als SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey (über die an diesem Abend, anders als etwa im taz Talk mit dem Linken Klaus Lederer, erstaunlich wenig gesprochen wird) auch deutlich zur künftigen Koalitionsfrage: „Ich will mit dieser Koalition weitermachen.“

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