Deutsche Wohnen & Co enteignen: Wenn nichts anderes mehr hilft

In Berlin hat eine Mehrheit der Bevölkerung für die Vergesellschaftung von Wohnungen großer Unternehmen gestimmt. Wie sieht es in anderen Städten aus?

Ein Licht leuchtet auf dem Balkon eines Wohnhauses

Wird der Berliner Volksentscheid auf andere deutsche Städte ausstrahlen? Foto: Oliver Berg/dpa

In Hamburg ist der Wohnungsmarkt anders strukturiert

Was Berlin kann, will Hamburg auch können. Schließlich ist die Wohnungsnot hier größer. Zwar baut die Immobilienwirtschaft wie bekloppt, aber die Preise drückt das nicht. Wohnraum ist teuer und wird immer teurer.

Eine Initiative mit dem Namen „Hamburg – wann enteignen wir?“ startet nun den Versuch, die kämpferische Euphorie und den Erfolg der Mie­te­r*in­nen­be­we­gung von Berlin nach Hamburg zu holen. Leider geht das nicht ohne Weiteres. Der Wohnungsmarkt hier ist ganz anders strukturiert. So ist die größte Vermieterin in Hamburg kein Immobilienhai, sondern das städtische Wohnungsunternehmen Saga. Hamburg ist zudem eine Hochburg der Genossenschaften, ihnen gehören rund 20 Prozent des Mietwohnungsbestands. Wem der Rest gehört, ist schwer zu ermitteln, weil im Unterschied zu Berlin wenige börsennotierte Unternehmen dabei sind. Nur die sind verpflichtet, öffentlich Rechenschaft abzulegen, sodass man ihren Bestand kennt. Ein öffentliches Immobilienregister für den Rest gibt es nicht. Einer Kampagne in Anlehnung an Deutsche Wohnen & Co. enteignen würde also das Feindbild fehlen. Klar, es gibt Vonovia, Heimstaden und TAG, ihnen gehören etwa 30.000 Wohnungen. Bei einem Bestand von 740.000 Mietwohnungen hamburgweit sind das aber gerade mal 4 Prozent. Dafür lohnt sich der Aufwand wohl eher nicht.

Man könnte natürlich fordern, dass auch Pri­vat­ver­mie­te­r*in­nen mit einem Bestand von 500 Wohnungen enteignet werden. Da wird es aber juristisch heikel. Das Recht auf Eigentum ist im Grundgesetz verankert. Die Ber­li­ner*in­nen konnten argumentieren, dass es gewahrt bleibt, wenn man nur die Player mit absurd großem Bestand enteignet. Wenn man an kleinere Bestände ranwill, wird es also schwieriger.

Ein weiterer Unterschied liegt in der Schlagkraft der Mieter*innenbewegung. In Hamburg hat die Bewegung 2009 ihren Zenit überschritten, seitdem ist sie im Sinkflug. Teile der Bewegung haben auch Berührungsängste mit parlamentarischen Instrumenten wie Volksini­tia­tiven. Andere sind ganz anders organisiert als in Berlin, wo Ak­ti­vist*in­nen von Deutsche Wohnen & Co. enteignen unermüdlich von Tür zu Tür gingen und mit den Menschen gesprochen haben. Das Ergebnis war eine riesige Organisierung von unten. Aber so etwas aufzubauen dauert eben seine Zeit. Die Ham­bur­ge­r*in­nen sollten also nicht nur die juristischen Fragen klären, sondern auch damit schnell beginnen.

Katharina Schipkowski, Hamburg

Teurer Beton auf der Großbaustelle Stuttgart

Im Südwesten der Republik gibt es eine Großbaustelle namens Stuttgart, auf der Beton alle nur denkbaren Formen annehmen kann – nur nicht die von bezahlbaren Wohnungen. In einer der reichsten Städte der Republik ist ein Zehntel der Bevölkerung überschuldet, 100.000 Menschen hätten als Wohnberechtigte einen Anspruch auf eine preisgünstige Sozialwohnung. Das Problem: Davon gibt es hier nur 14.000, und von Jahr zu Jahr werden es im Schnitt 200 weniger.

Die kommunale Politik beteuert, gegensteuern zu wollen, und so sind In­ves­to­r*in­nen bei großen Projekten verpflichtet, ein Drittel aller Neubauwohnungen preisgebunden günstig zu vermieten. Weil aber mehr alte Sozialwohnungen vom Markt verschwinden als neue entstehen, verdampft der Tropfen, noch bevor er auf dem heißen Stein landet. Wie in fast jeder großen Stadt gab es vor vielen Jahren einen nennenswerten Bestand an Wohnungen in öffentlicher Hand. Heute gehören sie der Vonovia.

Doch auch bei den Sozialwohnungen in Stuttgarter Besitz steigt der Druck auf die Mietenden. So ist bei der städtischen Wohnungsgesellschaft SWSG eine Mieterhöhung geplant, obwohl diese letztens einen Jahresgewinn von 17,7 Millionen Euro eingefahren hat.

Obwohl die Mieten in Stuttgart noch ein gutes Drittel über denen in Berlin liegen, wären Enteignungen hier undenkbar – allein schon, weil die Städte im Südwesten keine Gesetzgebungskompetenz ­haben und auf den Beistand Baden-Württembergs angewiesen wären. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Vergesellschaftung von Wohnraum schon im April 2019 als „Unsinn“ abgekanzelt: „Die Debatten um Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften führen wir mit Sicherheit nicht.“

Warum eigentlich nicht? Fünf der zehn teuersten Durchschnittsmieten haben Städte in Baden-Württemberg vorzuweisen. Trotz großer Not bleibt der Protest vergleichsweise zurückhaltend. De­mons­tra­tionen der verschwörungsgläubigen „Querdenker“-Bewegung konnten in letzter Zeit deutlich mehr Menschen auf die Straßen locken als solche gegen den allzu realen Mietenwahnsinn. Bleibt die Hoffnung, dass die Berliner Aufmüpfigkeit hier noch ein paar Leute zur Nachahmung ermuntert.

Minh Schredle, Stuttgart

Druck auf städtische Wohnungsgesellschaft in Frankfurt

Das Frankfurter Bündnis Mietenwahnsinn unterstützt die Berliner Kampagne zur Enteignung der Wohnungskonzerne. Seine Aktivisten hatten eine Gruppenbahnfahrt zur zentralen Demo in Berlin organisiert. Doch die eigenen Aktivitäten zielen eher auf die Stadtregierung und die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft ABG.

Das Ziel der Initiative Die Berliner Wohnungsbestände großer Immobilienkonzerne sollen vergesellschaftet werden. Betroffen wären alle privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Hauptstadt, ausgenommen die Genossenschaften. Konkret wären das mehr als 200.000 Mietwohnungen in Berlin.

Das Ergebnis der Abstimmung Am 26. September haben 56,4 Prozent der Ber­li­ne­r*in­nen für die Enteignung gestimmt, 39 Prozent dagegen. Der nächste Senat ist durch den Entscheid dazu verpflichtet, sich mit dem Votum auseinanderzusetzen. Die Wahlsiegerin Franziska Giffey (SPD) machte allerdings schon im Wahlkampf deutlich, dass sie von der Maßnahme nichts hält.

Als Eigentümerin von 52.000 Wohnungen habe die „ein großes Gewicht in der Bankenmetropole“. Im Falle von Neubauten soll sie nach dem Willen der Initiative ausschließlich öffentlich geförderte und preisgebundene Wohnungen errichten und die Mieten für sozialwohnungsberechtigte Mieter auf 6,50 Euro pro Quadratmeter begrenzen. Die Stadt hält das Bürgerbegehren, das mehr als 22.000 Unterschriften trägt, für rechtswidrig, weil es unzulässig in die Kompetenzen des Stadtparlaments eingreife. Vor Gericht kämpft das Bündnis jetzt um die Zulassung einer Abstimmung.

Wenn eine Familie mit drei Personen in Frankfurt am Main eine Wohnung sucht und nicht mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete aufbringen will, ist ein Nettoeinkommen von monatlich 4.200 bis 4.500 Euro erforderlich, in gefragten Stadtteilen sogar 6.200 bis 7.200 Euro. Die Zahlen stammen aus einer Studie der Beratungsgesellschaft Immoconcept. Obwohl Stadtverordnetenversammlung und Magistrat in den letzten Jahren rechtliche Bestimmungen mehrfach verschärft haben und Investoren eine feste Quote an Sozial- oder geförderten Wohnungen vorschreiben, wurden im Jahr 2020 gerade mal 21 Sozialwohnungen fertig­gestellt. Gleichzeitig fallen jedes Jahr Hunderte Sozialwohnungen aus der Bindung. Die Folge sind zum Teil drastische Mieterhöhungen oder der Verkauf der Immobilie an Investoren.

Die neue Stadtregierung aus Grünen, SPD, FDP und Volt will den Druck auf Bauherrn verstärken. Private Investoren müssen bei neuen Projekten mindestens 30 Prozent, die stadteigene GWG sogar 40 Prozent geförderte Wohnungen einplanen. Nach dem Ausscheiden der CDU aus dem Ma­gis­trat soll auch das Vorkaufsrecht der Stadt in besonders gefragten Wohngebieten häufiger genutzt werden, aber dafür ist viel Geld nötig. Immobilienhaie, die Wohnhäuser aufkaufen, Mieter herausekeln und das Objekt in Eigentumswohnungen aufteilen, sind inzwischen nicht mehr nur in den gefragten Stadtgebieten aktiv. Nach Überzeugung von SPD, Grünen und Linker muss das Verbot der Umwandlung von Mietobjekten in Eigentumswohnungen verschärft werden.

Die in Hessen regierende CDU verweigert den mitregierenden Grünen bislang sogar ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Eigentümer, die ihre Wohnimmobilie leer stehen lassen und mit der Wertsteigerung spekulieren, müssen keine Sanktionen fürchten. Die Illusion, dass „Bauen, bauen, bauen!“ für eine Entlastung sorgen könnte, ist indes geplatzt. Luxuswohnungen zur Miete oder zum Kauf sind reichlich zu haben, Wohnungen zu bezahlbaren Mieten dagegen nicht. Kurzfristig würde sich daran nichts ändern, wenn alle Forderungen der Ampelregierung und der Mieterinitiativen durchgesetzt würden. Langfristig schon.

Christoph Schmidt-Lunau, Frankfurt

An Rhein und Ruhr gibt es kein schlagkräftiges Bündnis

Auch an Rhein und Ruhr gehen die Mieten durch die Decke: In Köln werden bei Neuvermietungen im Durchschnitt 10,55 Euro pro Quadratmeter aufgerufen – eine Steigerung von 15 Prozent seit Ende 2017. Im Ruhrgebiet ist es nicht besser: Bochum meldet plus 15 Prozent, und selbst am Rand des Reviers in Witten ist Wohnen um 13 Prozent teurer geworden.

Dennoch setzt die schwarz-gelbe Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vor allem auf den Markt – und schielt auf ihre Klientel: So hat sie etwa die Umwandlungsverordnung 2020 auslaufen lassen. Diese hätte verhindern sollen, dass aus Miet- schnell Eigentumswohnungen werden.

In der Politik setzt in NRW bisher nur die Linke klar auf Enteignung. Die Grünen wollen Immobilienspekulation stärker besteuern – in den Metropolen wird oft nicht gebaut, weil In­ves­to­r:in­nen darauf warten, dass die Grundstückspreise weitersteigen. Und die SPD fordert darüber hinaus die Neuauflage einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Deren Vorgänger LEG hatte ­Armin ­Laschets CDU-Vorgänger Jürgen Rüttgers 2008 per Privatisierung verramscht.

Ein schlagkräftiges Bündnis für die Enteignung großer Immobilienkonzerne gibt es in NRW trotzdem noch nicht. Zwar fordern eine Ini­tia­ti­ve namens Recht auf Stadt und der MieterInnenverein Witten eine Vergesellschaftung großer Bestände. Und auch der Deutsche Mieterbund, der Enteignungen in NRW lange strikt abgelehnt hat, zeigt sich beeindruckt von den 56 Prozent, die beim Berliner Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co. enteignen mit Ja gestimmt haben.

Doch in NRW ist der Weg zu einem Volksentscheid, wie er in Berlin stattfand, weit – vorgeschaltet sind Volksinitiative und Volksbegehren. Mie­te­r:in­nen schneller helfen könnte ein Machtwechsel nach den Landtagswahlen nächsten Mai. Mit entsprechendem gesellschaftlichem Druck auf SPD und Grüne könnten neue Gesetze dafür sorgen, dass immer mehr Wohnungen zurück unter öffentliche Kontrolle gelangen, mit mehr Mitbestimmungsrechten und Mietpreisbindung für die darin Wohnenden. Und wenn an Rhein und Ruhr irgendwann eine Mehrheit der Wäh­le­r:in­nen für die Enteignung milliardenschwerer Spekulanten stimmt – umso besser.

Andreas Wyputta, Bochum

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