Initiative zur Enteignung in Hamburg: Dürstend nach Enteignung

Was Berlin kann, will Hamburg auch können: enteignen. Doch die Unterschiede auf dem Wohnungsmarkt sind groß. Ist der Volksentscheid übertragbar?

Im Bau befindliche Häuser, von Gerüsten umringt, mit Kränen davor

Neu bauen oder enteignen? Hamburg will sich auch mal an letzterem versuchen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Es war eine der wenigen guten Nachrichten am Wahlsonntag: Der Erfolg des Berliner Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. 56,4 Prozent der Berliner Wäh­le­r*in­nen stimmten dafür, dass alle Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen enteignet werden. Die Freude über das eindeutige Ergebnis weckt auch in Hamburg Begehrlichkeiten. „Hamburg – wann enteignen wir?“, fragt ein Kreis von Aktivist*innen, der sich zu dem Thema zusammengefunden hat und am 10. Oktober erstmals öffentlich einlädt.

„Wir wollen gemeinsam diskutieren, wie wir die Dynamik nach Hamburg holen können“, sagt Christoph Kleine, Mitglied des Initiativkreises. „Verdrängung findet auch hier statt und die Mieten sind im Schnitt teurer als in Berlin.“ Einen fertigen Plan gebe es noch nicht, vielmehr sei das Treffen als Auftakt zur Entwicklung einer Kampagne gedacht.

Allerdings gibt es, obwohl die Wohnungsnot in beiden Städten vergleichbar ist, einige Unterschiede. So ist Hamburgs größte Vermieterin kein Immobilienhai, sondern das städtische Wohnungsunternehmen Saga. Auch ist die Mie­te­r*in­nen­be­we­gung in Berlin schlagkräftiger und breiter aufgestellt als in Hamburg. Als die Bewegung hier im Höhenflug war, 2009 das Gängeviertel besetzte und das „Recht auf Stadt“-Netzwerk gründete, war Berlin noch so günstig, dass sich dort wenige für den Mietkampf interessierten. Als die Problematik in Berlin später mit voller Wucht einschlug, hatte man sich in Hamburg schon ein Stück weit an die Mondpreise gewöhnt.

Zudem gelang es der Hamburger SPD, das Thema für sich zu vereinnahmen und durch eine Bauoffensive den Mangel an Wohnraum im Vergleich zu anderen Städten ein wenig abzufedern. Die Mietpreise drückt das jedoch kaum.

Kann eine dritte Volksinitiative sinnvoll sein?

Allerdings laufen in Hamburg bereits zwei Volksinitiativen zum Thema „Mieten“. Die Ini­tiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ erreichte vor einem Jahr die notwendigen 10.000 Unterschriften und verhandelt derzeit mit dem Senat. Kommen die Parteien zu keinem Ergebnis, gehen die Initiativen in die nächste Phase, das Volksbegehren.

Aber kann eine dritte Volksinitiative dann sinnvoll sein? „Berlin hat eine Frage aufgeworfen“, sagt Kleine vom Initiativkreis. „Und zwar: Können sich Mie­te­r*in­nen gegen das angebliche Naturgesetz, dass Mieten immer steigen, wehren? Diese Frage müssen wir auch hier diskutieren.“ Als vergleichbarer Player zu Deutsche Wohnen biete sich etwa Vonovia und Heimstaden an. Die Grenze von 3.000 Wohnungen, ab der die Enteignung gefordert wird, könnte man für Hamburg herabsetzen.

Marc Meyer, Anwalt bei „Mieter helfen Mietern“ und Mitinitiator der Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ findet das neue Vorhaben grundsätzlich gut, zweifelt aber, ob die Unterschiede zwischen Hamburg und Berlin nicht zu groß sind. Ob sich der Aufwand lohne, müsse diskutiert werden, denn: Während der Volksentscheid in Berlin mit 240.000 Wohnungen im Eigentum großer Konzerne 15 Prozent des dortigen Mietmarktes betreffe, komme man in Hamburg, wenn man die Wohnungen von Vonovia, Heimstedten und der Immobiliengruppe TAG mit jeweils über 3.000 Wohnungen zusammenrechnet, nur auf 30.000 Wohnungen – etwa vier Prozent des Mietwohnungsbestandes. „Wenn man dann, um mehr Wohnraum zu enteignen, die Grenze von 3.000 Wohnungen herabsetzt, bekommt man möglicherweise juristische Probleme.“

Die Ber­li­ne­r*in­nen konnten argumentieren, dass das Grundrecht auf Eigentum und Berufsausübung noch gewahrt ist, wenn nur Konzerne mit Besitz über 3.000 Wohnungen enteignet werden. „Wenn du alle mit einem Besitz von über 500 Wohnungen enteignest, hast du auch politisch eine andere Diskussion“, sagt Meyer.

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