Sicherheitscheck am Flughafen Hannover: Warten, bis das Flugzeug weg ist

Am Flughafen Hannover sorgen Verzögerungen beim Sicherheitscheck für Unmut. Die Bundespolizei hat die Aufgabe einem privaten Dienstleister übertragen.

Das Handgepäck von Passagieren wird im Sicherheitsbereich vom Flughafen Tegel bei einer Gepäckkontrolle kontrolliert.

In der Kritik: Der Sicherheitscheck der Firma Securitas. Hier ein Mitarbeiter am Flughafen Tegel Foto: dpa | Jens Kalaene

GÖTTINGEN taz | Was auf der Internetseite des Flughafens Hannover zurückhaltend als „Verzögerungen“ und „längere Wartezeiten“ umschrieben wird, beschreiben Reisende als „chaotisch“ und „schrecklich“: Seit Beginn der Sommerferien hagelt es Beschwerden über stundenlanges Schlangestehen an den Sicherheitskontrollen und, als Folge, verspätete oder sogar verpasste Flüge. In der Nacht zum vergangenen Samstag musste die Polizei eingreifen, weil genervte Passagiere in der Warteschlange aneinandergeraten waren.

Medienberichten zufolge waren zunächst vor allem Nachtflüge etwa nach Mallorca oder in die Türkei betroffen. Inzwischen häufen sich Frust und Klagen aber auch bei Tagesflügen. „Trotz langer Schlangen war nur ein Band bei den Sicherheitskontrollen geöffnet“, berichtete ein Leser der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über seine Erfahrungen bei einem Flug nach Paris am Montag vergangener Woche. „Und es ist absurd: Es werden immer die vorgelassen, deren Flugzeug gerade weg ist, sodass diejenigen weiter warten, deren Flugzeug gleich abhebt.“

Grund für die Verzögerungen und Verspätungen ist ein dramatischer Personalmangel. Eigentlich ist der Sicherheitscheck von Fluggästen und ihrem Gepäck eine hoheitliche Aufgabe, also Sache des Bundes. Weil es billiger ist, hat die Bundespolizei die Arbeit jedoch an den meisten deutschen Flughäfen an private Dienstleister delegiert. In Hannover-Langenhagen, der zu den größten deutschen Verkehrsflughäfen zählt, übernimmt das seit gut einem Jahr die Firma Securitas.

Während der Pandemie, als die meisten Flugzeuge am Boden blieben, sprangen bei diesen Unternehmen zahlreiche Mitarbeiter ab und suchten sich andere Jobs. Die Ausbildung von neuem Personal wiederum dauert Monate, weil spezielle Sicherheitszertifikate benötigt werden.

Ein Securitas-Mitarbeiter

„Dass dieser Laden überhaupt noch läuft, liegt an der enormen Leidensfähigkeit der verbliebenen Belegschaft“

„Securitas ist wie alle anderen am Abfertigungsprozess am Flughafen Hannover-Langenhagen Beteiligten mit der aktuellen Situation nicht zufrieden“, sagte Unternehmenssprecher Sebastian Schwarzenberger am Dienstag der taz. Als wichtigste Ursache für die derzeitige Situation nennt er, dass der Flughafenbetrieb wegen der Coronapandemie für längere Zeit heruntergefahren war. So habe es im August 2021 es ein 25-fach höheres Passagieraufkommen gegeben als im Februar 2021.

Zudem, sagt Schwarzenberger, verlangsamten die pandemiebedingten Vorschriften die Prozesse beim Sicherheitscheck. Die Fluggäste träfe aber ebenfalls eine Mitschuld. Vielen Reisenden seien die Regularien und gesetzlichen Vorgaben offensichtlich nicht oder nicht mehr bekannt. Bei den Handgepäckkontrollen hätten viele Menschen mehr Flüssigkeit dabei als erlaubt, schreibt etwa die Bundespolizei. Auch das führe wegen der Nachkontrollen zu Verzögerungen.

Eine kurzfristige Aufstockung des Kontrollpersonals in der notwendigen Höhe sei aufgrund der langwierigen Ausbildung nur begrenzt möglich, so Schwarzenberger. Nichtsdestotrotz habe Securitas bereits „zahlreiche Maßnahmen“ getroffen.

Auf taz-Anfrage schreibt ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Hannover, die Bundespolizei erwarte „von dem beauftragten Sicherheitsdienstleister eine umfassende Einhaltung aller vertraglichen Grundlagen“. Die Coronapandemie habe aber „in nahezu allen Branchen zu arbeitsmarkttechnischen Verwerfungen geführt“. Eine Folge der Kurzarbeit sei der nun feststellbare Fachkräftemangel, auch im Sicherheitssektor.

Die Gewerkschaft Ver.di will Securitas nicht so billig davonkommen lassen. Securitas trage „eine wesentliche Mitverantwortung“ an dieser Situation, sagt Lars Kalkbrenner, bei Ver.di zuständig für die private Flughafensicherheit am Flughafen Hannover. Seit der Auftragsübernahme im vergangenen Jahr klagten Beschäftigte über mangelhafte Planbarkeit der eigenen Tätigkeit. Es habe mehrere Berichte über Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, nicht eingehaltene Pausenzeiten, enorm lange Pausenwege und überlange Schichtzeiten gegeben.

Schwindel und Kopfschmerzen

„Zwischenzeitlich wussten Beschäftigte heute nicht, ob und wie sie morgen arbeiten mussten“, so Kalkbrenner. Schichtpläne seien ohne die gesetzlich vorgeschriebene Einbeziehung des gewählten Betriebsrats veröffentlicht worden. Hinzu komme, dass bis heute Empfehlungen der Berufsgenossenschaft zur Trage- und Erholungszeit bei der Arbeit mit Mund-Nase-Bedeckungen keinerlei Beachtung fänden. Beschäftigte klagten über Schwindelgefühle und Kopfschmerzen.

Kalkbrenner zufolge umgeht und ignoriert Securitas häufig auch die betriebliche Interessenvertretung. Vom Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Freistellungsmöglichkeiten würden infrage gestellt, Mitgliedern des Gremiums öffentlich mit Kündigung gedroht und einige Betriebsvereinbarungen wiederholt missachtet.

Probleme auch an anderen Flughäfen

„Die Missachtung arbeitsrechtlicher Vorgaben geschieht mit einer solchen Systematik, dass man nahezu von Vorsatz ausgehen muss“, betont Kalkbrenner. „Solche Methoden kennen wir aus dem ‚Union Busting‘, also der gezielten, professionalisierten Bekämpfung von Mitbestimmungsstrukturen und Gewerkschaften.“

Auch an den Flughäfen Stuttgart sowie Köln/Bonn sei Securitas ähnlich negativ aufgefallen. Vor diesem Hintergrund sei kaum verwunderlich, dass dringend benötigtes Sicherheitspersonal am Flughafen weiterhin schwer zu finden sei. „Dass dieser Laden überhaupt noch läuft, liegt an der enormen Leidensfähigkeit der verbliebenen Belegschaft“, zitiert Ver.di einen Securitas-Mitarbeiter.

Bevor spätestens ab Frühjahr wieder ausreichend Sicherheitspersonal im Einsatz sein soll, werden nun eifrig Übergangslösungen gesucht. Am Freitag tagte dazu erstmals eine Taskforce mit allen Beteiligten. Als Möglichkeit zeichnet sich ab, dass Aushilfen in einer Art Vorkontrolle eingesetzt werden. Die Reisenden könnten zum Beispiel schon vor der Sicherheitskontrolle auf Flüssigkeiten in ihrem Gepäck angesprochen werden.

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