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Gefragte Zeitzeugen

Für Erzähler wie Zuhörer ist es ein Gewinn, wenn erlebte Geschichte weitergetragen wird

Die Auseinandersetzung mit Geschichte kann uns nicht nur dabei helfen, verantwortlich zu handeln, sondern auch unsere Persönlichkeit weiterzuentwickeln: „Die eigene Positionierung im Strom der Zeit, die ein Geschichtsbewusstsein bewirkt, vermittelt uns gleichzeitig immer auch eine eigene Form von Identität: als Europäer, als Deutsche, als Schwaben, Friesen, Sachsen, als Städter, Dörfler, Bürger eines Landstrichs, eines Viertels, einer Straße, als Abkömmling einer Schicht, Gruppe und Familie“, schrieb der Publizist Martin Hecht vor zwei Jahren im Magazin Psychologie heute. „Wir sind nicht nur, wen oder was wir aus uns machen, sondern immer auch, in was wir hineingeboren werden, was wir mit uns tragen.“ Man könne das ablehnen, versuchen, es abzustreifen, wo es uns belaste oder zumindest nicht förderlich erscheine. „Aber man kann auch davon profitieren, ganz egal ob die Geschichte uns nun lehrt, andere Pfade zu gehen als die Irrwege derer, die vor uns waren – oder uns bestätigt, in die Fußstapfen unserer Ahnen zu treten.“

So will das Internetarchiv „Wir waren so frei … Momentaufnahmen 1989/1990“ den wichtigsten Abschnitt der deutschen Nachkriegsgeschichte von Nutzern für Nutzer sichtbar machen. Bislang können dort fast 7.000 private Filme und Fotos aus der Umbruchzeit 1989/90 sowie über 100 begleitende Erinnerungstexte entdeckt werden. Entstanden sind alle zwischen der letzten Maikundgebung der DDR am 1. Mai 1989 und dem 2. Dezember 1990, dem Tag der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl. Wer private Filme, Videos und Fotografien besitzt, die die historischen Ereignisse mit ihren Auswirkungen auf den Alltag des Einzelnen in Ost und West zeigen, kann das Archiv ergänzen. Auch wer keine eigenen Fotos und Filme besitzt, kann das Projekt unterstützen: durch Kommentare, die Bilder präziser und umfassender zu beschreiben.

In einzelnen Projekten arbeitet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit Zeitzeugen zusammen, um historische Themen aufzuarbeiten. Die Auseinandersetzung beschränkt sich dabei nicht auf historischen Rückblick, sondern reicht bis in die Gegenwart. Lars Klaaßen

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