EuGH verurteilt Polen: Millionenstrafe für Tagebau-Betrieb

Polen muss eine halbe Million Euro am Tag zahlen, entscheidet der EuGH. Denn die Regierung weigert sich, den Kohletagebau Turow zu schließen.

Braunkohletagebau Turow, dahinter ein Kohlekraftwerk

Ein riesiges Loch für polnische Kohle – kurz vor den Grenzen zu Tschechien und Deutschland Foto: Martin Divisek/epa

WARSCHAU taz | Die Nachricht aus Luxemburg traf viele Polen wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Land verdonnert, jeden Tag 500.000 Euro Strafe an die EU-Kasse zu zahlen – bis die nationalpopulistische Regierung den Braunkohle-Tagebau Turow im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland stoppt. Dabei hatte der EuGH schon im Mai einstweilig angeordnet, dass Polen den Kohleabbau dort einstellen muss. Die polnische Regierung ignorierte den Beschluss aber einfach. Das wird jetzt teuer.

Geklagt hatte Tschechien. Da der polnische Tagebau immer näher an das südliche Nachbarland rückt, sinkt dort der Grundwasserspiegel. Der Betreiber, der staatliche Energiekonzern Polska Grupa Energetyczna (PGE), muss täglich riesige Mengen Wasser aus der Grube pumpen, um die Kohle gewinnen zu können. Das Wasser fehlt dann auf der anderen Seite der Grenze. Die polnische Regierung verlängerte die kürzlich ausgelaufene Lizenz für den Braunkohle-Tagebau sogar still und leise um weitere 20 Jahre, ohne das eigentlich in Gesetzen vorgeschriebene Umweltschutzverfahren durchzuführen.

Mit den direkt betroffenen Nachbarn im Dreiländereck, die immer wieder gegen Dreck, Lärm und das 2.500-Hektar-Loch direkt vor ihrer Haustür protestieren, nahm PGE nicht einmal das Gespräch auf. Dies aber verlangt sowohl das polnische wie auch das EU-Recht, wie Naturschutz-Aktivisten immer wieder anmahnten. Die Tschechen, denen immer mehr Brunnen in Grenznähe versiegten, waren es schließlich leid – und reichten Klage ein.

Polens Premier Mateusz Morawiecki hatte seinen Landsleuten immer wieder weisgemacht, dass er das Problem schon fast gelöst habe und Tschechien die Klage zurückziehen würden. Die meisten Polen gingen davon aus, dass der EuGH es niemals wagen würde, sie zu einer Geldstrafe zu verurteilen, auch weil die von Tschechien geforderte Höhe von täglichen 5 Millionen Euro astronomisch erschien. I

m Staatssender TVP behaupteten Politiker der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zudem, dass weder der Braunkohle-Tagebau im Dreiländereck aufgegeben noch das dazugehörende Kraftwerk ausgeschaltet werden könnten, weil dadurch die gesamte polnische Energieversorgung zusammenbrechen werde. Regierungsvertretern zufolge produziert Turow 7 Prozent der landesweit benötigten Energie. Laut Umweltschützern ist es nicht einmal halb so viel. Sie verweisen außerdem darauf, dass man das Kraftwerk bis zu seiner Stilllegung auch wie früher schon mit importierter Kohle füttern könnte.

Geld könnte abgezogen werden

Der Regierung in Warschau dürfte bewusst gewesen sein, dass das Nichtbefolgen einer einstweiligen Anordnung des EuGH zum Anziehen der Finanzschraube führen könnte. Auch jetzt bleibt sie dabei, den Tagebau weiterzubetreiben. „Wir werden den Tagebau nicht schließen“, sagte Regierungssprecher Piotr Müller direkt nach dem EuGH-Urteil. Er blieb dabei: „Ein Stopp der Arbeiten würde die Stabilität unseres Stromsystems gefährden.“

Auch die Geldstrafe will Polen nicht zahlen. Darum wird der Staat allerdings nicht herumkommen. Zahlt Warschau nicht freiwillig, wird die Strafe wohl bereits in Brüssel von den EU-Strukturhilfen für Polen abgezogen werden.

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