Polizeigewalt im Hambacher Wald: Fast ein Meilenstein

Der Einsatz des gewalttätigen Ersten Hauptkommissars im Hambacher Wald war rechtswidrig, urteilt ein Gericht. Konsequenzen muss er aber nicht tragen.

Todde Kemmerich trägt eine Mütze und steht zwischen Bäumen

Todde Kemmerich wurde Opfer von Polizeigewalt im Hambacher Forst Foto: Heike Lachmann

Der süßeste Traum des polizeilichen Gewaltopfers Todde Kemmerich hätte wohl so ausgesehen: Schadenersatz – wie jetzt bekommen – und üppiger Verdienstausfall, vorneweg aber Konsequenzen für den Täter: Vermerk in der Personalakte, am besten Entfernung aus dem Dienst. Und vor allem: endlich strafrechtliche Ermittlungen, Haftstrafe, Abführen in Handschellen, die er, Kemmerich, am besten noch selbst hätte anlegen dürfen.

Das konnte das Aachener Landgericht am Dienstag nicht leisten. Immerhin verurteilte es das Land NRW als Dienstherrn des übergriffigen Polizisten auf Schadenersatz. Dessen Einsatz: rechtswidrig. Punkt. So ein Urteil ist fast ein Meilenstein. Der gewalttätige Polizist war nicht etwa ein nervenschwacher Jungbulle, sondern Erster Polizeihauptkommissar mit fünf stolzen Sternchen auf jeder Schulter.

Er müsste als Anführer einer Einsatzhundertschaft eigentlich ein Vorbild sein. Völlig ohne jede Not und Hektik hatte er den offensichtlich gewaltfreien Demonstranten im Hambacher Wald angesprungen, zu Boden gerissen und gemeinsam mit herbeieilenden Kollegen massiv verletzt. Einfach weil er glaubte, die Macht dazu zu haben. Der Erste Polizeihauptkommissar Dietmar Z. darf als Schandbegriff in die deutsche Polizeigeschichte eingehen.

Herzlichen Glückwunsch! Dennoch: Solch ein einzelnes Erfolgserlebnis gegen Polizeiwillkür macht die vielen unbeachteten Fälle nicht ungeschehen. In Polizei- und Justizkreisen gilt eisern: Ein Huhn hackt dem anderen kein Auge aus. Verfahren werden verschleppt, Ermittlungen fantasiereich abgeblockt. PolizistInnen als Angeklagte vor Strafgerichten sind in der deutschen Justiz fast so selten wie eierlegende Hähne.

So hat das Verfahren für den sprunggewaltigen Mann auch keine Folgen. Er selbst ist nicht verurteilt. Er bleibt im Dienst. Das ist der dicke Wermutstropfen. Ein Kilometerstein bleibt das Urteil trotzdem. Und die ermittlungsunwilligen StaatsanwältInnen hätten für ihre Tatenlosigkeit guten Grund, sich zu schämen.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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