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Herzliches Beileid, schmerzliches Beileid

Ob schriftlich oder im Gespräch: Wer Trauernden sein Beileid bekundet, kann Trost spenden – aber auch ins Fettnäpfchen treten. Was sollte man sagen? Und was lieber nicht?

Einen Menschen, der einen nahen Angehörigen verloren hat, in seiner Trauer zu begleiten, ist enorm wichtig. Es stellt aber oft eine große Anstrengung für Freunde und Familie dar. Wenn Trauernde sich professionelle Unterstützung und Begleitung im Trauerprozess wünschen, können sie sich an einen ausgebildeten Trauerbegleiter wenden. Dieser sollte eine Qualifizierung zum Beispiel nach den Richtlinien des Bundesverbandes Trauerbegleitung vorweisen können.

bv-trauerbegleitung.de

Von Katja-Barbara Heine

„Kopf hoch, das wird wieder“, „Das Leben geht weiter“ oder „Zeit heilt alle Wunden“ – Aufmunterungen wie diese sind gut gemeint, in einer Beileidsbekundung jedoch fehl am Platz. „Damit spielt man das Leid der Trauernden herunter“, sagt Sascha Helm, Trauerredner und Bestatter in Worms. „Nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen wird nichts mehr, wie es vorher war.“ Auch Formulierungen wie „Du musst jetzt stark sein“ oder „Ich wünsche dir Kraft“ seien unpassend, denn „oft möchten die Betroffenen einfach nur schwach und traurig sein dürfen“. Annett Ruland, Trauerrednerin aus Berlin, bekräftigt: „Wenn man fassungslos vor einem Ende steht, geht überhaupt nichts weiter. Doch unsere unemotionale Leistungsgesellschaft lässt kaum Empathie zu. Schnell soll man nach großen Verlusten wieder funktionieren. Trauer und traurig sein ist ein ähnliches Tabu wie Sexualität oder Beziehungsprobleme.“

Ein weiteres No-Go: Ratschläge, wie man mit der Trauer umgehen sollte. „Bitte auf keinen Fall aufdringlich sein und belehren, weil man denkt, man weiß, was der andere braucht“, so Annett Ruland. „Das weiß man nämlich nicht. Der Betroffene weiß ja selbst kaum, was er braucht. Versuchen Sie, gemeinsam herausfinden, was jetzt guttun kann.“ Sascha Helm betont: „Trauer ist etwas ganz Individuelles. Jeder trauert auf seine eigene Art und Weise, da gibt es kein Universalheilmittel.“

Ziel einer Beileidsbekundung ist es, Mitgefühl zu zeigen, Anteilnahme auszudrücken und Hinterbliebene zu trösten. Damit das gelingt, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Trauerhelfer beobachten immer wieder, dass gut gemeinte Bemerkungen ihr Ziel verfehlen und Betroffene irritieren oder gar verletzen. Welche Worte sind also die richtigen, wenn jemand ein Familienmitglied, den Partner oder einen anderen geliebten Menschen verloren hat? Sascha Helm empfiehlt Formulierungen wie „Ich fühle mit dir“ oder „Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst“. Dramatische Übertreibungen sollte man vermeiden: „,Mein allerherzlichstes Beileid' – das muss nicht sein“, so Helm. „,Mein Beileid' reicht vollkommen aus.“

Silke Wittmaack, Trauerrednerin im Raum Hamburg, hat sogar „Mein Beileid“ aus ihrem Wortschatz gestrichen. „Selbst diese zwei Worte können schon zu viel sein und übergriffig wirken – gerade, wenn ich als Kondolierende die Tote oder den Toten kaum kannte.“ Sie sagt zu Trauernden lieber „Es tut mir leid für dich“ oder „Ich wünsche dir alles Gute“.

Ohne viele Worte

Die Trauer-Experten sind sich einig: Beileid geht auch ohne viele Worte. Ein warmer Händedruck, eine Umarmung, eine Hand auf der Schulter des Trauernden oder Augenkontakt – das wirkt Wunder. „Man muss gar nicht viel sagen“, so Silke Wittmaack, „einfach nur da zu sein ist schon eine ganze Menge.“ Dass ein warmer, fester Händedruck bei Trauerfeiern in Zeiten von Corona oft nicht möglich ist, bereut sie zutiefst. „Ich ersetze diese Geste seitdem durch eine kleine Verneigung vor den Trauernden oder winke ihnen zu.“

„Echtes Beileid würde ich immer persönlich bei einem Besuch aussprechen“ rät Annett Ruland. „Das sind manchmal nur ein paar Minuten an der Haustür. Ist der Weg zu weit, empfehle ich ein Telefonat. Geht auch das aus irgendeinem Grund nicht, tut es eine E-Mail oder ein handgeschriebener Brief.“ Ein Beileidsschreiben kann man natürlich auch zusätzlich zur mündlichen Kondolenz verfassen. Gehört man nicht zum engen Kreis der Trauernden und möchte man dennoch Anteilnahme zeigen, ist es ebenfalls eine gute Option.

Hierbei gilt: Je persönlicher und authentischer, desto besser. „Eine vorgedruckte Karte aus dem Supermarkt zu unterschreiben ist keine gute Idee“, so Sascha Helm. „Das wirkt lieblos und unpersönlich.“ Idealerweise werden Beileidsbekundungen in eigenen Worten formuliert und per Hand geschrieben. Allerdings kondolieren gerade jüngere Menschen immer häufiger auch per E-Mail, WhatsApp oder Social Media. Man müsse keine Doktorarbeit verfassen, „drei einfache Sätze, die von Herzen kommen, sind besser als drei Seiten Floskeln“, so Silke Wittmaack. „Schildern Sie Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse. Schreiben Sie, was Sie an dem Menschen geschätzt haben und warum sie ihn vermissen werden.“ Ein schönes Zitat oder Gedicht, das die eigenen Empfindungen ausdrückt, ist durchaus erlaubt. Besonders gelungen ist ein Beileidsschreiben den Experten zufolge dann, wenn es die Trauernden zum Lachen bringt. Oder zumindest zum Schmunzeln.

Fürsorge statt Mitleid

Auch ein Hilfsangebot kann das Schreiben enthalten – allerdings nur, wenn man es tatsächlich einlösen kann. Je konkreter, desto besser: „Ruf mich an, wenn du etwas brauchst“ ist nicht sehr hilfreich. „Trauernde haben oft nicht die Kraft, von sich aus Menschen um Hilfe zu bitten“, so Sascha Helm. Mit konkreten Vorschlägen mache man es ihnen leichter, etwa: „Ich kann abends mit dem Hund Gassi gehen“ oder „Soll ich Behördengang XY für dich erledigen?“ Unterstützung im Alltag kann Trauernde entlasten und zeigt ihnen, dass sie nicht allein sind.

Und wenn man partout keine Worte findet, um sein Beileid auszudrücken? „Dann darf man das den Angehörigen auch so sagen oder schreiben“, sagt Silke Wittmaack. „Ein aufrichtiges,Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll' oder,Ich würde dir so gerne helfen, aber ich weiß nicht, wie' ist auf jeden Fall besser, als gar nichts zu sagen oder zu tun.“ Denn auch das passiere leider: „Es kommt vor, dass Menschen die Straßenseite wechseln, wenn sie Trauernden begegnen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen, oder Angst haben, etwas Falsches zu sagen.“ Damit begehen sie den größten Fehler überhaupt, denn „gemieden zu werden ist für Trauernde schlimmer als jedes falsche Wort“, weiß die Trauerrednerin. Man müsse Trauernde gar nicht unbedingt auf den Verlust ansprechen: „Man kann ihnen ganz normal einen guten Tag wünschen. Man kann über Fußball oder den Gartenverein reden – und abwarten, ob sie von selbst das Thema anschneiden.“

Wenn Bestattung und Trauerfeier vorbei sind und das bis dahin sehr teilnehmende Umfeld wieder zur Tagesordnung übergeht, beginnt für viele Trauernde eine Leere – und die schwierigste Phase der Trauerbewältigung. Dann sollte man unbedingt für sie da sein, sie einladen, ablenken, mit ihnen Dinge unternehmen und einfach nur zuhören, wenn sie reden möchten. Annett Ruland vergleicht Trauern gerne mit einer Krankheit: „Betroffenen können sich ruhig eingestehen: Ja, mir geht es dreckig. Und wenn wir krank sind, was brauchen wir da? Mitleid? Nein, wir brauchen jemanden, der uns Suppe oder Tee kocht, warme Socken und Wärmflasche reicht und einfach nur da ist. Fürsorge lautet das Zauberwort. Sämtliche Konventionen können wir uns eigentlich sparen.“

Selbst die Nachfrage „Wie geht es dir?“ kann in dieser schwierigen Zeit kontraproduktiv sein, weiß Silke Wittmaack: „Durch sie werden Betroffene unweigerlich wieder an ihre Trauer erinnert – auch wenn sie in dem Moment vielleicht endlich mal an etwas ganz anderes gedacht haben.“

annettruland.de

hamburgerrednerin.com

bestattungen-klotz.de/trauerredner/

Bundesverband der Trauer­redner: batf.de/

Bundesverband Deutscher Bestatter: bestatter.de