Die Zweite Liga ist teuer

Die CDU fürchtet, dass die Polizeimehrkosten für Hochrisikospiele Werder Bremen in den Ruin treiben. Der Senat wiegelt ab – immense Schulden hat der Verein trotzdem

Fast so polizeiintensiv wie ein Risikospiel: Werder-Fans und Staatsmacht nach dem Abstiegsspiel gegen Gladbach Foto: Jörg Hüneke/dpa

Von Jan Zier

Die CDU hat Angst, Angst um Werder Bremen. So richtig konkret will sie das böse Wort von der Insolvenz ja eigentlich nicht in den Mund nehmen, aber in einer Frage, etwas weiter hinten in dieser Kleinen Anfrage an den rot-grünen-roten Senat, taucht es dann doch auf: Welche Auswirkungen hätte eine Insolvenz des SV Werder Bremen?

Beispiellos wäre eine Zahlungsunfähigkeit nicht: Das Fachmagazin „Kicker“ vermeldete im vergangenen Jahr, dass 13 der 36 deutschen Profivereine wegen der Coronapandemie die Insolvenz drohe. Laut der europäischen Fußball-Union UEFA waren die finanziellen Verhältnisse bei 15 Erstliga- und 37 Zweitligaclubs in 24 Ländern seit Anfang 2020 so gravierend, dass sie ihre Ligen verlassen mussten oder mit einem Insolvenzverfahren konfrontiert wurden. Damit wurde der Negativrekord von 2011 übertroffen – damals waren es 34 Fälle.

Bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist man indes stolz, dass in der mehr als 50-jährigen Geschichte der Bundesliga „noch kein Club während der laufenden Saison Insolvenz anmelden musste“. Insolvenzen hat es trotzdem gegeben, zuletzt im August: Da wurde beim Fußball-Regionalligisten KFC Uerdingen, einst Erstligist und DFB-Pokalsieger, ein Insolvenzverfahren eröffnet.

In Uerdingen ist die Rede von knapp zehn Millionen Euro Schulden. Das sehr viel größere Werder Bremen vermeldete zum Ende letzten Jahres offiziell „einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 30,6 Millionen Euro“. Diverse Medienberichte, wonach Werder schon mit 75 Millionen Euro verschuldet sei, hat Werder-Geschäftsführer Klaus Filbry vehement bestritten. Ein lokales Bankenkonsortium hatte dem Verein Ende 2020 bereits Kredite in Höhe von 20 Millionen Euro gewährt, die durch eine Bürgschaft des Landes Bremen abgesichert sind. Der Senat, so steht es in seiner Antwort, sieht angesichts der Zahlen „keine Veranlassung“, von einem Insolvenzrisiko bei Werder Bremen auszugehen.

Hinter der Angst der CDU steht denn auch noch ein anderer Konflikt: Seit’an Seit’mit der DFL sorgt sie sich vor allem, dass die Kosten für sogenannte Hochrisikospiele „zu einer erheblichen finanziellen Belastung“ des Vereins führen. Die Polizeimehrkosten solcher Spiele reicht Bremen seit 2015 an die DFL weiter, die sich dann wiederum an Werder weitgehend schadlos hält.

FC Oberneuland: 2013 wurde ein Insolvenzverfahren gegen den Bremer Verein eröffnet, der heute wieder in der Regionalliga Nord kickt.​

Alemannia Aachen: 2017 musste der Verein, der 2007 noch in der Bundesliga spielte, zum zweiten Mal Insolvenz anmelden.​

​Rot-Weiß Erfurt: 2018 meldete der ehemalige DDR-Meister, der den späteren Werderaner Clemens Fritz hervorgebracht hat, Insolvenz an und spielt heute fünftklassig.​

Wattenscheid 09: Der ehemalige Bundesligist Wattenscheid 09 wurde als Regionalligist 2019 insolvent und ist heute nur noch Oberligist.​

Nach dem Abstieg in die Zweite Liga gibt es nun aber mehr solcher teuren Begegnungen als früher – die Begegnungen gegen den HSV, Dynamo Dresden und Hansa Rostock sind als „Hochrisikospiele“ eingestuft worden, für die es fast 1.000 Po­li­zis­t*in­nen braucht, weitere sechs immerhin als „Risikospiele“, für die 300 bis 400 Po­li­zis­t*in­nen verplant werden – alle anderen Partien kommen mit weniger als 200 Be­am­t*in­nen aus. In der Vergangenheit wurden der DFL laut Senat zwischen 225.000 und 415.000 Euro pro Spiel berechnet. Gleichwohl gebe es derzeit eine „positive Fortbestehensprognose“ für Werder, so der Senat.

Was eine Insolvenz des Vereins Bremen kosten würde, hat Werder trotzdem schon mal ansatzweise berechnen lassen, allerdings schon 2017. Jene Studie kommt zu dem Schluss, dass alle Geldströme und alle wertschöpfenden Effekte zusammen eine Summe von 319 Millionen Euro erbringen, die in der Stadt Bremen pro Saison verbleiben. Allein 15 Millionen Euro geben Fans etwa für Anreise, Essen und Trinken direkt in Bremen aus – vor der Pandemie kamen pro Saison 700.000 Zu­schaue­r*in­nen zu den Spielen nach Bremen. Der Werbewert für die Stadt Bremen durch die Berichterstattung wird in der Studie auf 50 Millionen Euro geschätzt.

Zwar sollen nun die mit dem Weserstadion – es gehört je zur Hälfte dem Verein und der Stadt – generierten Einnahmen erhöht werden. Bisher wurden hier zwölf Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet. Doch solange der SV Werder hier spielt, sind die Möglichkeiten begrenzt: Zum Schutze der An­woh­ne­r*in­nen ist die Zahl der sonstigen Großveranstaltungen auf vier pro Jahr begrenzt.