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Eine Tasse für die Genossen

Die meisten Weltläden sind als Verein organisiert. Doch es gibt auch ein anderes Modell: Mitglieder finanzieren den Auf- und Ausbau von Weltläden in Form von Genossenschaften

Von Joachim Göres

Die meisten der rund 900 Weltläden in Deutschland werden von gemeinnützigen Vereinen betrieben. Doch es gibt auch eine ganze Reihe, die genossenschaftlich organisiert sind. „Wir wollen demokratisch und transparent wirtschaften, deswegen haben wir uns für eine Genossenschaft entschieden“, sagt Gabriele Dumeier, Vorstand und Mitgründerin der Karibu Welt- und Regioladen Kassel Genossenschaft. Sie zählt derzeit 85 Mitglieder, die für mindestens 150 Euro Anteile kaufen. Dieses Geld war wichtig für die Finanzierung des rund 100 Quadratmeter großen Ladens in der Kasseler Innenstadt – die Eigenkapitalquote konnte so erhöht werden, was größere Kredite von Banken ermöglichte.

Einmal im Jahr kommen die Mitglieder zur Jahresversammlung zusammen – jedes Mitglied hat eine Stimme. Zu den Grundsatzentscheidungen gehört, dass im Weltladen auch Produkte aus Nordhessen verkauft werden wie Honig, Marmelade, Gewürze, Brotaufstrich und in Kassel gerösteter Kaffee. „Für uns ist es genauso wichtig, hier vor Ort kleine Produzenten zu unterstützen wie im globalen Süden“, sagt Dumeier. Die Genossenschaftsmitglieder entscheiden auch über die Verwendung etwaiger Gewinne. „In den letzten beiden Jahren haben wir geringe Überschüsse erzielt, die in die Rücklage fließen. Die Mitglieder wissen, dass sie keine Dividende erwarten können“, sagt Dumeier. Die Entscheidungen über den laufenden Betrieb treffen die 4 haupt- und rund 25 ehrenamtlichen Kräfte.

Den Weltladen Zeichen Der Zeit im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gibt es seit 2008, seit 2014 wird er als Genossenschaft betrieben. „Damals stand der Laden finanziell auf der Kippe. Durch die Gründung der Genossenschaft konnte er weiterexistieren“, sagt Lavern Wolfram. Sie ist Genossenschaftsvorstandsmitglied und hat zudem einen bezahlten Minijob im Laden. Die aktuell 75 Mitglieder haben Anteile in Höhe von mindestens 100 Euro erworben. Für sie gibt es bei jedem Einkauf eine kostenlose Tasse Kaffee sowie 3 Prozent Rabatt auf alle Waren. „Die Tasse Kaffee ist sehr beliebt, viele kommen mindestens einmal im Monat vorbei. Der Rabatt wird dagegen kaum in Anspruch genommen“, sagt Wolfram. Künftig gibt es sogar einen eigenen Genossenschaftskaffee, der in Österreich geröstet wird und in Deutschland nur im Weltladen in Prenzlauer Berg erhältlich ist.

„Seit Beginn der Pandemie haben wir viele neue Kunden gewonnen, die uns entdeckt haben, als die meisten Geschäfte geschlossen waren. Dadurch hatten wir einen Umsatzzuwachs, den wir investieren“, sagt Wolfram. Die Genossenschaftsversammlung hat den Vorschlag des Vorstands angenommen, das überschüssige Geld für die Renovierung sowie den Kauf einer Kaffeemaschine zu verwenden. Nach der Renovierung des 65 Quadratmeter großen Ladens gibt es jetzt mehr Platz für die Präsentation der Waren. Zudem wird Geld in einen Fonds zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten eingezahlt.

Ein besonderes Konzept verfolgt die Weltladen-Betreiber-Genossenschaft mit Sitz im bayerischen Neubiberg. Sie betreibt in Frankfurt am Main, München, Weinheim und Rheine Weltläden. In Orten ab 40.000 Einwohnern übernimmt die Genossenschaft Weltläden, die vor der Schließung stehen beziehungsweise gründet neue Läden dort, wo es noch keine gibt. Außer den ehrenamtlichen Kräften gibt es eine fest angestellte Filialleitung. Die Weltläden liegen in guten Einkaufslagen, sind modern eingerichtet und mindestens 70 Quadratmeter groß.

Das erfordert nicht geringe Investitionen: Ein Genossenschaftsanteil kostet 500 Euro, rund 120 Mitglieder – darunter viele, die beruflich mit fair gehandelten Produkten zu tun haben – hat dieser Betrag nicht abgeschreckt. Die Grundidee dahinter: Ein Laden kann nur mit bezahlten Kräften professionell betrieben werden, die unter anderem dazu beitragen, dass die Öffnungszeiten ausgeweitet werden. „In München und Rheine konnten wir nach einer Übernahme durch den Umzug in eine bessere Lage den Umsatz um mehr als 50 Prozent steigern“, sagt Ursula Artmann, die dem Vorstand der Weltladen-Betreiber-Genossenschaft angehört und fügt hinzu: „Trotz der höheren Miete können die Weltläden durch die stärkere Frequenz mehr Erlös erwirtschaften und von dem gesteigerten Absatz profitieren natürlich die Produzent:innen.“

Eingekauft wird zentral für alle vier Läden, durch die größere Abnahmemenge gibt es Rabatte. „Die Pro­du­zen­t:in­nen bekommen dadurch aber nicht weniger Geld“, versichert Artmann. In München werden seit kurzem auch faire Textilien angeboten, im Oktober informiert im dortigen Weltladen ein Importeur über die Bedingungen bei der Herstellung. Solche Veranstaltungen sind aber die Ausnahme. „Unsere entwicklungspolitische Arbeit wird noch ausgebaut“, kündigt Artmann an.

„Es gibt in Deutschland noch viele weiße Flecken ohne Weltläden, deswegen ist das Modell der Betreiber-Genossenschaft nur zu begrüßen“, sagt Christoph Albuschkat, für die Öffentlichkeitsarbeit beim Weltladen-Dachverband zuständig. Er spricht von einem Trend zu festangestellten Beschäftigten, auch wenn dies derzeit noch die Ausnahme sei. Diese Entwicklung führe mitunter zu Konflikten: „Es gibt Ehrenamtliche, die aussteigen, weil sie nicht einsehen, dass einige für ihre Arbeit bezahlt werden und andere nicht. Und weil sie wollen, dass die Einnahmen den Produzenten und nicht hauptamtlichen Ladenkräften zugute kommen. Diese Diskussionen haben wir aber auch schon in den Neunzigerjahren geführt.“