Augsburger Ehepaar repariert Spielzeug: Eine Klinik für Püppi

Seit über 20 Jahren repariert das Augsburger Ehepaar Haschler Teddybären und anderes Spielzeug. Oft retten sie damit auch Erinnerungen.

Eine Puppe liegt zugedeckt in einem Puppenbett

Warten auf die Behandlung: eine Puppe in der „Klinik“ des Ehepaars Haschler Foto: Marcus Lechner

AUGSBURG taz | „Das wird wieder“, sagt Eva-Maria Haschler, und ihre Stimme nimmt dabei einen beschwichtigenden Ton an. Sie steht hinter dem Tresen, vor einem hölzernen Regal. Dort sitzen über ein Dutzend Puppen und mehrere Teddys, sie haben Zettel um ihre Bäuche gebunden. Vor dem Tresen steht ein Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, in Begleitung ihrer Großmutter. Ihre Puppe ist ein Fall für die Puppen- und Teddyklinik: Augen und Körper sind lädiert. Und auch die langen, blonden Haare könnten mal wieder gepflegt werden.

Für das Ehepaar Eva-Maria und Harald Haschler ist das seit über zwanzig Jahren ihr tägliches Geschäft. Puppen, Teddys und andere Schmusetiere sind schließlich Spielzeuge, und so geht auch mal was kaputt. Die „Klinik“ in einer gepflegten Augsburger Altstadtstraße ist gut besucht. Kinder dürfen ihre Puppen in ein mehrstöckiges Krankenbett legen und zudecken. Wenn sie mitsamt einem Keks dort wieder abgeholt werden, sind sie „genesen“. Ein Service, den es heute nicht mehr allzu oft gibt, die Restauration hat ein Nachwuchsproblem.

Entstanden ist die Idee aufgrund von Eva-Maria Haschlers Sammelleidenschaft. In der gemeinsamen Wohnung in einer ruhigen Gegend im Augsburger Stadtteil Hochzoll gibt es kaum eine Ecke ohne Puppen. Da sind alte – die älteste aus dem Jahr 1890 – und neue, große und kleine, bunt gekleidete und eher schlichte. Dazwischen steht immer wieder ein Auto-Modell, so hinterlässt ihr Ehemann Harald seine Spuren in der Maisonettewohnung.

Eva-Maria Haschler ist mit dem Spielzeughandel ihrer Eltern aufgewachsen. „Was manche wundert: Ich hatte als Kind keine Puppe“, erzählt sie. Zum Anschauen seien ja genug da gewesen. Aber nicht zum Spielen. Und als ihre eigenen Kinder irgendwann keine Lust mehr auf Puppen und die von ihr genähten Klamotten hatten, begann sie, Puppen zu sammeln. Anfangs nur alte Modelle, auch kaputte – damals waren die schließlich noch teuer und es galt, sie zu erhalten.

Der Keller, ein Ersatzlager

Bereits die Mutter von Eva-Maria Haschler reparierte ab und an Puppen. „Sie hat das ganz furchtbar gemacht, das hat mir überhaupt nicht zugesagt“, erinnert sie sich. Haschler selbst ließ sich ursprünglich zur Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin ausbilden, machte dann eine Umschulung zur Industriekauffrau und probierte sich im Anschluss selbst an verschiedenen Materialien und Reparaturen.

„Es ist kein erlernter Beruf“, sagt sie. Doch mit der Zeit kam auch die Erfahrung. Und immer mehr Anfragen erreichten sie. Zuerst arbeiteten sie und ihr Mann noch im eigenen Heim in Mering bei Augsburg, ab 1999 in einem großen Geschäft in der Altstadt. So kamen mit der Zeit Teddys und andere Spielzeuge zu den Puppen dazu.

Auch bei Samm­le­r:in­nen sind Puppen sehr beliebt. Gerade alte Materialien wie der Kunststoff Zelluloid sind aber besonders empfindlich, und kleine Korrekturen deshalb oft nötig. In die Augsburger Puppenklinik gelangen Restaurationswünsche aus aller Welt – Madagaskar, Australien und die USA waren schon dabei. Im Monat kriegen die Haschlers zwischen 30 und 40 Pakete, darüber hinaus noch bis zu 80 weitere Aufträge im Laden selbst. Was nicht mehr repariert werden kann, wird ersetzt. Ersatzteile bekommt man offiziell kaum noch, aber die Haschlers haben einen vollen Werkstattraum im Keller ihres Geschäfts.

Die Werkstatt ist das Reich von Harald Haschler. Die deckenhohen Regale sind voller bunter Plastikkisten und Kartons mit verschiedenen Beschriftungen: „Baby Arme flach 22 23“, „Kugelarme 31“, „45 Beine links“, „Plastik-Püppchen und Teile klein“. Es ist kein Zentimeter mehr frei. So mancher Hersteller wendet sich mittlerweile an die Puppenklinik, um Ersatzteile zu erhalten.

Und davon gibt es hier reichlich – auch Ware aus dem vergangenen Jahrhundert, welche das Ehepaar auf Flohmärkten oder bei Geschäftsauflösungen von anderen Puppenkliniken zusammengekauft hat, aus Zelluloid, Porzellan, Vinyl oder Pappmaché. Auch Teddys „zum Ausschlachten“ gibt es, so formuliert es Harald Haschler. Eine Klinik will schließlich vorbereitet sein.

Der gelernte Kfz-Meister hat Erfahrungen mit der Reparatur von Unfallfahrzeugen. Heute spachtelt, schleift und bemalt er hier unten Puppen, die etwas kleinere Unfälle wie einen Sturz hinter sich haben. Die Farben rührt er in kleinen Filmdöschen an. Eva-Maria Haschler schmeißt vor allem das Ladengeschäft, macht Näharbeiten an Teddys und anderen Plüschsachen, oder sie fertigt Kleidung für die Puppen an. Mit der Zeit haben die beiden ihre Stärken ausgebaut.

Im Laden muss Eva-Maria Haschler oft bei ihren Kun­d:in­nen mitspielen, wie auch bei der kleinen Kundin, der sie nun sagt: „Deine Puppe muss sich jetzt ausruhen“, bevor sie sie in das Klinikbett legt. Und es sind nicht nur Kinder, denen dieses Spiel gefällt. Da ist auch die alte Dame, die über Jahre täglich mit ihrer Puppe im Rollator in den Laden kam und sie dort ankleidete. Oder das Brautpaar, das ein Hochzeitskleid mit Schleppe und einen Smoking für ihre Teddys nähen ließ.

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Die Puppen- und Teddyklinik ist für die Haschlers mehr als nur Broterwerb, sie hätten schon längst in Rente gehen können. Trotz drei weiteren Mitarbeitenden gibt es auch heute noch Tage, an denen sie um 10 den Laden aufsperren und erst gegen 22 Uhr wieder nach Hause kommen.

Anfragen gebe es genug. Eltern, die ihren Kindern die eigenen Puppen schenken möchten oder Enkel, die einen Teddy des Großvaters für seine Zeit im Altenheim restaurieren lassen wollen. An den Spielzeugen hängen Erinnerungen, die erhalten bleiben sollen.

Die Reparatur ist aufwendig und kostet schnell mal einen niedrigen dreistelligen Betrag. Vier bis fünf Stunden braucht eine Puppe im Durchschnitt, Näharbeiten können noch länger dauern. Damit das Geschäft sich rentiert, verkaufen die Haschlers in ihrem Laden auch Neuware.

Während die Puppe der kleinen Kundin sich in ihrem Krankenbett auf die Operation vorbereiten darf, flitzt sie mit einem Golden-Retriever-Plüschhund, der fast so groß ist wie sie, ums Eck. „Ich mag den haben“, sagt sie. Und liest vor, dass auf dem Preisschild eine 6 und eine 9 steht. Ihre Großmutter willigt ein.

Eine ältere Frau und ein ältere Mann sitzen am Tisch

Betreiben die Puppenklinik in Augsburg: Harald und Eva-Maria Haschler Foto: Marcus Lechner

Auch das ist ein Grund, warum Eva-Maria Haschler und ihr Mann an dem Geschäft festhalten. Denn Kinder sollen sich ihr Spielzeug selbst aussuchen dürfen und nicht einfach einen Karton aus dem Internet vorgesetzt bekommen. Die Kleinen hätten ganz andere Maßstäbe als Eltern oder Großeltern, sie fänden selten das Gleiche schön.

Puppen und Plüsch gibt es auch heute noch woanders, doch die restaurierenden Betriebe wie der der Haschlers sterben aus. Dabei sei es doch so: Wenn der Lieblingsteddy kaputt ist, dann hilft selten ein neuer.

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