Chefredakteurin über Transformation: „Ich möchte, dass die taz glänzt“

Chefredakteurin Ulrike Winkelmann spricht über die neue Wochenzeitung, Kinderkrankheiten der App und die früher vollgequalmte Redaktion in Hamburg.

Ulrike Winkelmann, Chefredakteurin der taz

„Manchmal ein bisschen flau“: Ulrike Winkelmann, Chefredakteurin der taz Foto: Joern Neumann

taz: Ulrike, wie geht es der taz?

Ulrike Winkelmann: Der taz geht es gut. Wie viele andere Medien profitieren wir davon, dass die Leute durch die Coronakrise einfach mehr wissen und mehr lesen wollen. Die taz findet Zuspruch auf den digitalen Kanälen, insbesondere die taz im Netz läuft gut. Und wir gewinnen Genossinnen und Genossen dazu.

Und wohin geht die taz?

Die taz hat sich auf den Weg gemacht, in einer nicht so fernen Zukunft zwei digitale Produkte anzubieten und ein gedrucktes. Wir werden aus unserer taz am Wochenende eine Wochenzeitung machen. Für die werktägliche Orientierung werden wir kein bedrucktes Papier mehr anbieten, sondern die taz-App. Den taz-Gesamtauftritt liefert die aufgemöbelte taz im Netz.

Und womit geht es los?

Die Wochenzeitung wird jetzt, ab dem 9. Oktober, erst einmal politischer werden. Sie bekommt einen dickeren Politikteil, und auch der Kommentaranteil soll wachsen. Wir verschieben also innerhalb der Ausgabe die Gewichte. Das entspricht einem Wunsch, den wir vielfach bei unseren Le­se­r:in­nen gemessen haben, aber auch in der Redaktion. Und gleichzeitig wollen wir, dass die Regionalteile ihren super Journalismus für die ganze Republik machen.

Was bedeutet das?

Die beiden Regionalteile Berlin und Nord werden für das neue Wochenende ein gemeinsames Regionalbuch erstellen, das „stadtland“ heißen wird und auch in Ulm, Freiburg und Köln gelesen werden soll. Was unsere Kol­le­g:in­nen in Nord und Berlin anbieten, soll überall genossen werden können.

Das klingt so schön. Dennoch wird es für die Le­se­r:in­nen im Norden ja auch weniger originäre regionale Inhalte geben. Was erwartet sie stattdessen?

Ein neuartiges publizistisches Projekt: Am Wochenende tut sich der Regionalteil Nord mit dem Regionalteil Berlin zusammen und arbeitet die Themen heraus, die in den beiden Regionen für brisant und relevant gehalten werden. Heißt natürlich: Der neue Wochenendteil wird stärker auch auf überregionale Lesebedürfnisse ausgerichtet sein.

50, ist gemeinsam mit Barbara Junge Chefredakteurin der taz. Ihr Volontariat machte sie bei der taz hamburg, zog dann weiter in die Berliner taz-Redaktion und kehrte nach Stationen beim „Freitag“ und dem Deutschlandfunk am 1. August 2020 als Chefredakteurin zurück.

Du hast ja selbst mal bei der taz hamburg angefangen. Inwiefern hat dich das geprägt?

Die taz Hamburg war, als ich damals einstieg, ein sehr familiärer Betrieb. Das heißt, als politisch engagierte Studentin, die ich damals war, fand ich dort Aufnahme von Leuten, die es zuließen, dass ich mich mit meinen Interessen austobte, und die auch Verständnis dafür hatten, dass es etwas brauchte, bis ich zwischen Bericht und Kommentar unterscheiden konnte.

Damals wurde noch in der Morgenkonferenz geraucht. Stimmt’ s?

Es wurde, fürchte ich, den ganzen Tag geraucht. Ich glaube, die ganze Bude war allzeit vollgeschmökert und auch ansonsten, wenn man ehrlich ist, in keinem guten Zustand. Das machte mir aber überhaupt nichts aus. Viele Leute beklagten den Zustand der Räumlichkeiten und behaupteten auch, sie schämten sich, wenn Besuch käme. Ich dachte immer, wenn ich die angeschlagene Tasse für den Besuch noch mal extra ausspüle, muss das doch gut genug sein.

Was findest du an der Nord-Berichterstattung heute wichtig?

Was der Norden gelernt hat – und das macht er seit 15 Jahren – ist, Themen so aufzubereiten, dass sie auch Leute ansprechen, die nicht unmittelbar dort wohnen, von wo berichtet wird. Der Norden hat ja die besondere Herausforderung, zum Beispiel für Bremen und Hamburg gleichzeitig zu berichten, obwohl ich mir sagen lassen habe, dass sich Bre­me­r:in­nen nicht unbedingt dafür interessieren, was in Hamburg passiert, und umgekehrt.

Vor allem umgekehrt …

Der Norden aber vermag die Themen so aufzubereiten, dass sie Interesse trotz solcher heimatlicher Eifersüchteleien wecken. Wenn die taz nord zum Beispiel über das AKW Emsland berichtet, dessen Existenz ich persönlich zwischenzeitlich vergessen hatte, dann ist es so aufgeschrieben, dass man im Norden denkt: Stimmt, das Ding steht da ja auch noch in der Gegend herum – und es ist gar nicht weit entfernt.

Müssen die Nord-Leser:innen um ihren Regionalteil bangen?

Nein. Die Nord-Leser:innen bekommen jetzt einen überarbeiteten Regionalteil am Wochenende und einen leicht veränderten regionalen Teil unter der Woche. Aber wir haben den Produktentwicklungsprozess so aufgesetzt, dass wir mit dem Norden und mit dem Berlin-Teil weiter in die Zukunft marschieren.

Dennoch fallen ja auch die Lokalseiten in der Woche für Hamburg und Bremen weg. Was zeigt die taz an diesen Standorten Präsenz?

Was die taz ja auch gelernt hat und was sie offensichtlich enorm gerne macht, ist, auch andere Kommunikationsformen als den Text zu nutzen. Die taz hat ihre eigene Stimme entdeckt: Sie macht Talks. Sie macht Podcasts. Sie bespielt Bühnen – auch im Norden. Die taz ist in der Stadt präsent, sie lässt sich blicken und hören, überall da, wo Politik und wo Interessantes passiert.

Was kommt nach der Transformation des Wochenendes?

Im kommenden Jahr wollen wir den Auftritt der taz im Netz auffrischen. Das ist vor allem auch eine große Programmieraufgabe, mit der wir viele IT-Fachleute beschäftigen. Denn es betrifft nicht nur die Oberfläche – also das, was man sieht, wenn man auf die taz im Netz klickt –, sondern auch all das, was dahinter stattfindet wie die Struktur der Seite. Und wir wollen die taz- App, die es ja bereits gibt, noch einmal besser machen. Diese beiden Zukunftsprodukte werden wir neu präsentieren – und dann am Jahresende einen weiteren Reformschritt fürs Wochenende machen: Dann soll das Wochenende zu der opulenten Wochenzeitung umgebaut werden, die gewichtig genug ist, dass sie eine ganze Woche am Kiosk verkauft werden kann.

Die taz-App soll Nachfolgerin der täglich gedruckten Zeitung werden. Was soll sie können?

Die App kann schon eine Menge. Sie hat zwar noch ein paar Kinderkrankheiten, aber die werden unablässig ausgebügelt. Künftig soll die App zum Beispiel eine Suchfunktion bekommen, über die ich weitere Texte zu meinem Thema finden kann.

Warum sollten Le­se­r:in­nen für die App zahlen, wenn die Inhalte im Netz weitgehend frei verfügbar sind?

Die taz-App und die taz im Netz müssen und werden sich unterscheiden. Die taz im Netz zeigt das taz-Gesamtprogramm, also auch Verlags-Inhalte, die Podcasts und so weiter, Texte können sehr schnell ausgetauscht werden. Die taz-App dagegen bringt das, was die taz-Redaktion innerhalb eines Tages wichtig findet. Sie bietet den Überblick für einen Tag: Dies wollte die taz-Redaktion innerhalb von 24 Stunden berichten, analysieren und kommentieren.

Wie zuvor die Printzeitung?

Genau. Wir glauben, dass die treuen Leserinnen und Leser der gedruckten Tageszeitung für die taz-App auch gerne Geld bezahlen, weil ihnen die Orientierung gefällt, die die taz ihnen damit bietet.

Dennoch ist es ja eine riskante Wette, dass die Leser:innen, die die Zeitung nicht mehr bekommen, alle in die App wechseln. Wird euch Leitungsmenschen in der taz manchmal ein bisschen mulmig bei der Vorstellung, wie das ausgeht?

Ich betrachte mit sehr, sehr großem Respekt, was wir da vorhaben. Und ja, manchmal wird mir auch ein bisschen flau.

Was ist dein persönliches Ziel als Chefredakteurin?

Ich möchte, dass die taz glänzt – auf allen Kanälen. Und ich finde die taz ist am besten, wenn sie beides schafft: sowohl ganz warm zu sein, ganz menschlich, aber auch ganz kritisch und kalt analytisch.

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