Wirklich Grün sind nur die großen Städte

Nach der Kommunalwahl geben sich Niedersachsens Grüne euphorisch. In der Stichwahl könnten sie einige Großstädte gewinnen. Doch auf dem Land ist der Rückstand zu CDU und SPD noch gewaltig

Nur nicht von Farbe und Motiv täuschen lassen: Wirklich erfolgreich waren Niedersachsens Grüne nur in der Stadt Foto: Sina Schuldt/dpa

Von André Zuschlag

„Richtig, richtig gut“ sei die Stimmung am Montag bei den Grünen in Niedersachsen, sagt die Ko-Landesvorsitzende Anne Kura. Bei den Kommunalwahlen haben die Grünen am Tag zuvor ordentlich zugelegt. „Es ist das beste Kommunalwahlergebnis, das wir jemals hatten“, freut sich Kura. Bei den anstehenden Stichwahlen, die parallel zur Bundestagswahl am 26. September stattfinden, könnten die Grünen einige Rathäuser in den niedersächsischen Großstädten erobern. Doch von den Zentren abgesehen bleiben die Grünen eher Nische als dritte Volkspartei neben SPD und CDU.

Die größten Chancen haben die Grünen in Lüneburg: Claudia Kalisch gewann die erste Runde deutlich. Mit 33,7 Prozent holte sie über zehn Prozent mehr als der zweitplatzierte Wählergemeinschaftskandidat Heiko Meyer. Sollte es keine allzu großen Überraschungen geben, könnte erstmals eine Grüne in Lüneburg regieren – und den seit 30 Jahren regierenden Sozialdemokraten Ulrich Mägde, der nicht wieder antrat, beerben.

In Göttingen und Oldenburg werden die Konservativen bei der Stichwahl den Ausschlag geben, ob die Grünen ins Rathaus ziehen: Daniel Fuhrhop muss in Oldenburg gegen den SPD-Mann Jürgen Krogmann ran, Doreen Fragel braucht in der Stichwahl die Stimmen der Konservativen, um sich gegen Petra Broistedt (SPD) durchzusetzen. Mit nur 64 Stimmen Vorsprung zog die Grüne am CDU-Kandidat vorbei auf den zweiten Platz. Das nahm die CDU am Montagnachmittag zum Anlass, eine Neuauszählung zu beantragen. Der Wahlausschuss lehnte das allerdings laut Göttinger Tageblatt ab, will allerdings nochmal die ungültigen Stimmen überprüfen.

In Osnabrück dürfte es für die Grüne Annette Niermann hingegen schwierig werden, sich gegen Katharina Pötter von der CDU durchzusetzen. Pötter holte über zehn Prozent mehr Stimmen. In Hannover, wo zwar kein neuer Bürgermeister, aber der Stadtrat neu gewählt wurde, landeten die Grünen knapp an der Spitze.

Seit nun rund 40 Jahren ist die CDU stärkste kommunale Kraft in Niedersachsen. Daran ändert sich in den kommenden fünf Jahren nichts: Mit 31,7 Prozent landet sie knapp vor der SPD (30,0).

Die Grünen holten landesweit 15,9 Prozent und gewannen damit gegenüber der vorigen Wahl dazu. 2016 hatten sie 10,9 Prozent der Stimmen erhalten. Auch die FDP legte zu: von 4,8 auf 6,5 Prozent.

Die Wahlbeteiligunglag mit 57,1 Prozent etwas höher als vor fünf Jahren.

Im Gegensatz zu diesen Erfolgen schnitten die Grünen erwartungsgemäß im ländlichen Raum schlechter ab. Mit der Tendenz wollen sie dennoch zufrieden sein: Holten sie bei der vorherigen Kommunalwahl auf der Kreisebene noch 10,9 Prozent, waren es nun 15,9 Prozent. „Wir erleben ein nachhaltiges Wachstum“, sagt Kura. Seit der letzten Kommunalwahl 2016 habe sich die Mitgliederzahl des Landesverbands verdoppelt auf nun über 10.000 Mitglieder. Dadurch nehme die Präsenz auch fern der Großstädte zu. Und wie zum Beweis schafften es manche Grüne auch in kleineren Gemeinden, etwa in Lilienthal (Kreis Osterholz) oder in Ganderkese (Kreis Oldenburg), in die Stichwahl.

Angesichts einer vielerorts sichtlich hohen Anzahl von Wahlplakaten der „Basis“ dürfte für die Querdenker-nahe Partei das Ergebnis enttäuschend sein: Niedersachsenweit erhielt die Partei lediglich 0,6 Prozent der Stimmen. Die einzige Überraschung gelang ihnen bei der Bürgermeisterwahl in Syke: Ihr Kandidat war der einzige Konkurrent zur amtierenden Bürgermeisterin; er holte immerhin 17 Prozent.

Auch für die AfD scheint kaum Interesse auf der kommunalen Ebene zu herrschen, sie sackte erheblich ab. Auf Kreis­ebene wählten gerade noch 4,6 Prozent die Rechten. 2016 waren es noch 7,9 Prozent. Und auch die Linke bekommt in Niedersachsen weiter keinen Fuß auf den Boden: Sie verringerte ihr Wahlergebnis von 3,3 Prozent vor fünf Jahren auf nur noch 2,8 Prozent.

„Wir erleben ein nachhaltiges Wachstum“

Anne Kura, Ko-Landesvorsitzende der Grünen Niedersachsen

Damit ziehen viele grüne Köpfe in den zehn größten Städten Niedersachsens – Hannover ausgenommen – in zwei Wochen in die Stichwahl. Und da geht es insgesamt paritätisch zur Sache: Neun Frauen und neun Männer stehen dann zur Wahl. Das hat es in Niedersachsen bislang auch noch nicht gegeben.

Bei den Stichwahlen um die Bürgermeisterposten dürfte zwar wegen der parallel stattfindenden Bundestagswahl die Wahlbeteiligung insgesamt hoch sein, doch zu einem Problem für die Grünen könnten die 16- und 17-Jährigen werden: Die jüngeren Kohorten sind in der Regel deutlich grünen-affiner als die älteren. Doch während die erwachsenen Wahlberechtigten zwei Gründe haben, ins Wahllokal zu gehen, müssten sich die Minderjährigen nur für die Stichwahl auf den Weg machen.

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