berliner szenen
: Lustig, Leute in echt zu treffen

Eben dachte ich noch, dass der Spätsommer meine Lieblingsjahreszeit ist, schon ist es wieder Herbst. Ich bin auf dem Weg zur Post, Geld holen. Werner steht vor dem Eingang mit seinem kleinen Radio und den Zeitungen und begrüßt mich mit „hallo, du Kunstlump“. Früher hatte er mich „toter Vogel“ genannt, was eigentlich besser passt. Als ich wieder rauskomme, erklärt er, dass Sahra Wagenknecht Bundeskanzlerin werden soll, weil sie auch Stimmen von potenziellen AfD-WählerInnen bekäme, und ich sage, dass ich eher für Roberta Habeck sei. So trennen wir uns und ich denke weiter über den Wahlkampf nach.

Anfangs hatte ich es nett gefunden, beim Rausgehen von Scholz gegrüßt zu werden, dann hatte mich der Wahlspot mit „ein schöner Land“ geärgert und die Grünen-Plakate hatte ich auch doof gefunden. K. dagegen gefielen die begrünten Grünen-Poster, weil die KandidatInnen so etwas kränklich wirken; auch ein interessanter Gedanke.

Von Weitem seh ich plötzlich meinen Kandidaten, Dr. Turgut Altuğ, an einem Wahlkampfstand der Grünen stehen. Gneisenau- Ecke Baer­waldstraße. Den Weg bis zum Stand über muss ich grinsen. Es ist immer witzig, Leute in echt zu treffen, die man von Plakaten kennt. Ich sage, „hallo“ und „Sie sind der einzige Grünen-Kandidat, wo das Plakat keinen grünen Schleier hat, oder?“ und dass ich die Grünen sowieso wähle.

Er sagt, er hätte sich geweigert. Ich hatte mir schon gedacht, dass es viele Grüne gibt, die den Wahlkampf ihrer Partei nicht so gut finden. Eine Frau gibt mir noch Wahlkampfmaterial mit. Später denke ich, dass das bestimmt Canan Bayram war, die für meinen Bezirk wieder in den Bundestag einziehen möchte und mir ist mein Auftritt ein bisschen peinlich, weil ich sie nichts gefragt habe.

Detlef Kuhlbrodt