press-schlag
: Länderspielpause:
Das ist großes Tenis

Rot oder gelb: Gedanken zur Bipolarität im deutschen Fußball anlässlich eines Intermezzos

Wozu dient so ein Länderspielwochenende, wozu ist es da? Zur Naherholung vielleicht, was bedeutet, dass man sich als Soccer Dad auf Ascheplätzen oder gleich mit der Tochter im Käfig herumtreiben kann, weil endlich wieder Zeit ist am Samstagnachmittag. Oder dient es dazu herauszufinden, wie Holland gegen Montenegro gespielt hat, oder sich darüber zu amüsieren, dass Israel das noch bei der EM so tolle Österreich mit 5:2 überrumpelt hat und die Ösis vermutlich schon wieder zu Hause bleiben müssen, während andere Nationen in die wintersonnenwarme Region zur WM fahren dürfen?

Vielleicht dient so ein Länderspielwochenende auch dazu, alte Feindschaften zu pflegen und sich zur besten Sportschau-Sendezeit tatsächlich die Liveübertragung des Drittligakicks zwischen Magdeburg (mit kurzem a) und Kaiserslautern anzugucken. Und dabei festzustellen, dass Drittligafußball aussieht wie Erstligafußball in schlecht, denn die Aktionen, die beim, sagen wir, 1. FC Köln zu Toren führen, führen beim 1. FC Magdeburg meist zu gar nichts, und trotzdem steht es nach sieben Minuten 1:0, und am Ende geht das Spiel auch dankenswerterweise so aus (wer sich gefragt hat, auf wen sich die Feindschaft oben bezogen hat, könnte jetzt Bescheid wissen).

Also früh umgeschaltet, und lieber Tennis geguckt, das in Tschechien, wie ich neulich bei einer Zugfahrt lernen durfte, nur mit einem n geschrieben wird: Tenis.

Beim Tenis auf Eurosport erfährt man so einiges. Leider auch, dass der als Tenis-Experte hervorragende Moderator Matthias Stach, Vater der Basketballerin Emma und des Fußballers Anton, der bei Mainz 05 unter Vertrag steht, eher, sagen wir, blind ist, was den inzwischen hyperneoliberalen Charakter seiner Sportart betrifft, Charity zum Beispiel für eine ehrbare Sache dieser Hochleistungsmillionäre hält, die den Teniszirkus dominieren, und nicht für Steuervermeidung, mit der sich ein gutes Image kaufen lässt, und, wie sein Sidekick Boris Becker leider und in Gottes Namen ziemlicher Fan des FC Bayern ist. Um das auszugleichen, gibt es immerhin die Expertin Barbara Rittner, die keinen Hehl daraus macht, BVB-Fan zu sein, und einen vermutlich deutschen Tenisfan, der die drei deutschen Herren und die eine Dame vor Ort in Flushing Mea­dows im Turnierverlauf vom Rang aus bis ins Achtelfinale supportet hat, und das im gelb-schwarzen Fußballtrikot.

Bayern oder Dortmund also, eine andere Option gibt es wohl nicht mehr, es sei denn, man klebt noch so am Regionalen, dass man aus Magdeburg nicht herauskommt und ein Leben lang FCM-Fan bleibt. In der breiten Öffentlichkeit findet man aber kaum noch jemanden, der Gladbach- oder 60-Fan ist und dabei nicht aus München oder M'gladbach kommt. Klar, es gibt noch ein paar bürgerliche Linke, die glauben, politisch korrekt für den FC St. Pauli sein zu müssen, aber das war's dann auch. Ach so, und Schalke-Fans, die gibt es hier und da noch, aber die kommen, wie Fernsehkoch Björn Freitag (hab zwischendurch zum WDR geschaltet), ursprünglich aus dem Ruhrgebiet.

Ganz schön einfallslos, diese Liebhaber des Fußballs. Wozu ist die Länderspielpause noch mal gut? Richtig, für solch müßige Gedanken. Immer noch besser als die Nation. René Hamann