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Women Voices: Beim internationalen literarturfestival berlin geht’s auch um Identitätspolitik und Cancel Culture, Frauenhass und indigene Stimmen

Darf wirklich so gut wie nichts mehr gesagt werden, um nicht gleich von (linken) Sprachwächtern eins auf den Deckel zu bekommen? Oder ist die Aufregung über angebliche Sprachverbote zumindest teilweise auch eine bewusste Strategie in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie, mit denen die Don Alphonsos dieser Republik versuchen, sich als Opfer zu stilisieren – aber am Ende genau jene, denen diese Verbalrabauken Verbote vorwerfen, diejenigen sind, die (oft von aufgehetzten Dritten) aufs Übelste beschimpft werden und manchmal gar um ihr Leben fürchten müssen?

Sich über diese Fragen in einer entspannten Atmosphäre, Gedanken zu machen – das ist ein Ziel der diesjährigen Ausgabe des internationalen literaturfestivals berlin (ilb). Wobei „Cancel Culture“ unter dem Titel „Identitätspolitik und Woke­ness – Totalitarismus der ,Linken‘?“ nur eines der Spezialthemen eines überbordenden Angebots ist, das sich wie immer so verzweigt ausbreitet, dass schon die Lektüre des Programmhefts wirklich dauert.

Ein anderes Sonderthema stellt Misogynie, Missbrauch und Frauenhass in den Fokus – allein in Brasilien wird alle sieben Stunden eine Frau ermordet. Davon handelt Patrícia Melos Roman „Gestapelte Frauen“, weshalb die Brasilianerin auch zur ilb eingeladen wurde.

Ein weiteres Special widmet sich „Indigenious Voices“. Denn indigene Literatur kam im Kanon des Westens lange nur am Rande vor, was sich nur langsam, aber doch merklich ändert. Das ilb holt dafür Autorinnen wie Louise Erdrich (USA/Ojibwe), Billy-Ray Belcourt (Kanada/Driftpile Cree) und Natalie Diaz (USA/Mojawe) aufs Podium, die von ihrer künstlerischen Produktion berichten, aber auch aus ihrer Sicht von der Klimakrise, Landraub und den Folgen europäischer Kolonialisierung.

Die Eröffnungsrede hält im Übrigen auch eine Frau: Die Marokkanerin Leïla Slimani. 1981 in Rabat geboren kam sie 1999 als Reporterin für das Magazin Jeune Afrique nach Paris. In ihrem preisgekrönten Roman „Dann schlaf auch du“ nimmt sie ihr Pariser Milieu genau unter die Lupe und liefert laut taz einen „detailreichen Eindruck des sozialen Unbehagens des heutigen Frankreichs“. (os)

ilb: 8. bis 18. September