das ding, das kommt
: Vom Mehrzweck geheiligt

Schlagen, stoßen und würgen, abdrängen oder räumen: Der Tonfa kann im Polizeidienst vielen Zwecken dienen Foto: Lkunta/Wikimedia Commons

Es ist schon ein schlagkräftiges Werkzeug, diese Sprache: Die beste Reihenfolge der Wortbestandteile dieser etwas hartgummihaft daherkommenden Euphemismen mag zwar nicht entschieden sein. Aber für den Zweck ist es auch nicht ausschlaggebend, ob es nun Mehrzweckeinsatzstock (MES) oder Einsatzmehrzweckstock (EMS) oder Rettungsmehrzweckstock (RMS) heißt. Wichtig ist nur, dass unklar bleibt, was sich verbirgt hinterm Mehrzweckeinsatz oder Einsatzmehrzweck.

Denn der, eben, als MES, EMS oder RMS bezeichnete Tonfa dient im Regelfall nicht dazu, sich bloß am Rücken zu kratzen oder als Wanderhilfe, sondern als, in treffenderen Begriffen gefasst, Schlag-, Stoß- und Würgeknüppel. Man kann mit ihm zwar auch mal Fensterscheiben einschlagen, Objekte zu sich heranangeln oder ihn als Steighilfe benutzen. Vor allem aber kann man mit ihm andere Menschen schlagen und stoßen und so Angriffe abwehren und Personen festhalten, also unmittelbaren Zwang ausüben – also Gewalt.

Benutzt oder auch nur mitgeführt werden darf der gut einen halben Meter lange Stock mit dem Quergriff laut Waffengesetz deshalb nur in Ausnahmefällen: Etwa wenn man einen actiongeladenen Film damit dreht oder polizeikritisches Theater spielt, einen Kampfsport damit ausübt oder ein Brauchtum pflegt (welches auch immer das genau sein könnte). Oder wenn man Bereitschafts- oder Mi­li­tär­po­li­zis­t:in ist und durch Grundlehrgang und regelmäßige Fortbildungen gelernt hat, wie man das Teil führt, ohne Menschen damit totzuprügeln oder zu Invalid:innen. Einst eingeführt wurde der Knüppel ja gerade, um die „Lücke zwischen Warnruf und Schuss“ zu schließen.

Tatsächlich kann so ein Mehrzweckeinsatz mit dem Einsatzmehrzweckstock ein Leben auch nicht-tödlich ganz schnell zerstören. Wie im Fall von Johannes M., dem erst im vergangenen Herbst gerichtlich Schadenersatz und Schmerzensgeld zugestanden wurden, weil ein Bundespolizist ihm beim Hamburger Schanzenfest im Herbst 2009 mit einem Schlag auf den Kopf die Stirnhöhle zerschmettert hat.

Dass es auch schlauer geht, als die Polizei erlaubt, lässt sich zum Glück lernen – von der Polizei! Auf jenen Straßen, für deren Sicherheit der dieses Jahr erstmals beim Familienfest vorm und im Hamburger Polizeimuseum aufspielende Verkehrskasper verantwortlich ist, hat der Knüppel in jedweder Form schon lange ausgedient. Denn der Verkehrsteufel kriegt nicht mehr mit der Bratpfanne einen auf den Kopf, sondern muss sich dialogisch vor den Kindern erklären und sein nicht regelkonformes Verhalten einsehen und ändern. Schon ein schlagkräftiges Werkzeug, diese Sprache. Robert Matthies

Familientag des Hamburger Polizeimuseums: So, 5. 9., 11–17 Uhr, Hamburg, Carl-Cohn-Straße 39