Sportliche Entscheidung eines multiplen Talents

Andrea Petkovićscheidet bei den US Open aus. Der Tenniswelt bleibt die 33-Jährige erhalten

Von Jörg Allmeroth

Als die Ausläufer des Hurrikans „Ida“ New York unter Wasser setzten, war Andrea Petkovićschon in ihrem trockenen Hotelzimmer in den Schluchten von Manhattan. Sie hatte gerade ihr Zweitrundenspiel gegen Freundin Garbiñe Muguruza bei den Offenen Amerikanischen Meisterschaften 2021 verloren und dann eine bedeutsame Entscheidung getroffen. „Ich will weiterspielen“, sagte Petković, „weil ich mich gut fühle und an den Besten dran bin.“ Noch könne nichts das Gefühl ersetzen, auf einen Court wie bei den US Open zu marschieren: „Das ist immer noch mein Leben, das Schönste für mich. Und 33 Jahre sind ja auch noch kein Alter.“

Das gute Gefühl und den optimistischen Blick in die Tenniszukunft hat sich Petković hart erarbeitet. Lange stimmten in dieser erneut komplizierten Coronasaison die eigene Wahrnehmung von Stärke und die Ergebnisse nicht wirklich überein. Die Südhessin trainierte fleißig, hatte den Eindruck, „dass ich richtig unterwegs bin“, aber bei den Turnieren gewann sie kaum einmal mehr als ein, zwei Matches. „Ich habe eine Menge Frust geschoben und mir gesagt: Das muss besser werden, sonst ist Schluss“, sagt Petković. Die US Open hatte Petkovićsogar schon als finale Station ihrer fast anderthalb Jahrzehnte währenden Karriere angepeilt.

Petkovićs Laufbahn war immer eine kunterbunte Angelegenheit, ein stetiges Auf und Ab der Ergebnisse und Emotionen. Und wen wunderte es da, dass die langjährige Nationalspielerin auch kurz vor dem möglichen Abschied noch einmal einen verblüffenden Dreh schaffte und plötzlich die guten Trainingsleistungen in Ergebnisse umsetzen konnte. „Auf einmal hat es klick gemacht, ich war wieder voll drin im Geschäft“, sagt Petković. Beim neuen WTA-Turnier am Hamburger Rothenbaum erreichte sie das Finale, gewann im rumänischen Cluj-­Napoca erstmals nach sechs Jahren wieder einen Tourwettbewerb. „Und dann“, so Petković, „läufst du wieder ganz anders durch die Tenniswelt.“ In der Rangliste kletterte sie bis auf Platz 68 empor, in Reichweite der Elitespielerinnen.

Tennis schien in der Corona-Ära nicht immer das ganze Himmelreich für die studierte Darmstädterin zu sein, zu der zwischenzeitlich sogar die Feststellung schwerfiel, dass sie noch professionell ihren Sport betrieb. 2020 erschien ein Band mit Erzählungen von Petković, oft war sie im Fernsehen als Reporterin oder Moderatorin zu sehen. Sie berichtete sogar selbst über die Schwierigkeiten des Sports im Allgemeinen und des Tennisbetriebs in Zeiten der Pandemie – und damit auch irgendwie über eigene Zwiespälte. „Ich habe gemerkt, dass ich zwar sehr viel Spaß an meinen anderen Rollen habe. Aber mein Herz hängt doch immer noch am meisten am Tennis“, sagt Petković, die in New York wieder mit ihrem langjährigen Coach Petar Popovićarbeitete.

New York spielt in Petkovićs Tennisjahren eine herausragende Rolle. Vor zehn Jahren kämpfte sie sich gegen den Rat der Ärzte mit einer Knieverletzung ins Viertelfinale vor und bezahlte den Auftritt mit späteren körperlichen Problemen. „Die US Open waren nie ein normales Turnier für mich. Ich will hier immer besonders gut spielen“, sagt sie. Auch nach ihrer ehrenwerten New Yorker Niederlage gegen die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin Muguruza war Petkovićnur bedingt zufrieden: „Gut mithalten, das reicht mir nicht. Ich habe noch viel entdeckt, was ich verbessern muss“, sagte Petković, „es ist aber auch ein gutes Zeichen, dass mich das nervt und mir nicht egal ist.“