Lobbyismus in der EU: Schlacht der Internetinteressen

Laut Lobbyismuskritikern verschaffen sich Internetkonzerne zu viel Gehör im politischen Brüssel. Dort werden gerade digitale Märkte reguliert.

Pakete liegen in einem Logistikzentrum des Versandhändlers amazon auf einem Wagen

Amazon Logistik Zentrum in Mönchengladbach – in Brüssel ist Amazon was Lobbyarbeit angeht spitze Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

BRÜSSEL taz | Big Tech schlägt Big Pharma: Wenn es ums Lobbying in Brüssel geht, dann sind Amazon, Face­book, Google & Co. nicht mehr zu toppen. Satte 97 Millionen Euro bringen die Tech-Giganten jährlich für ihre Interessenvertretung auf, wie eine Studie der Nichtregierungsorganisationen LobbyControl und Corporate Europe Observatory enthüllt. Die zehn größten Digitalkonzerne beschäftigen über 140 Lobbyisten in der Hauptstadt der Europäischen Union.

Die gut bezahlten Interessenvertreter bereiten sich auf die wohl größte Lobbyschlacht aller Zeiten vor. Die EU will das Internet regulieren und die Macht der „Gatekeeper“ begrenzen. Zu digitalen Märkten und Diensten hat die EU-Kommission Gesetze vorgeschlagen und damit die US-Giganten auf den Plan gerufen.

Die wollen verhindern, dass es zu einer Zerschlagung und Aufspaltung der gewinnträchtigen Geschäftsfelder kommt – mit Erfolg: Der Vorschlag aus Brüssel sieht derart radikale Eingriffe nicht vor. Außerdem geht es Amazon, Facebook, Google & Co. darum, selbst die Kontrolle als „Gatekeeper“ zu behalten und eine aus ihrer Sicht allzu weitgehende Regulierung zu verhindern.

„Eine Schlacht haben sie aber schon verloren“, sagt Tommaso Valletti, der bis 2019 als Chefökonom für Wettbewerbsrecht in der EU-Kommission gearbeitet hat. Am liebsten hätte das Silicon Valley nämlich verhindert, dass Brüssel das Internet überhaupt reguliert. Die Verzögerungstaktik sei gescheitert, so Valletti. Umso mehr bemühten sich die Lobbyisten nun darum, die geplanten Gesetze zu verwässern.

Lobby-Gespräche und bezahlte Studien

Nicht nur die EU-Kommissare werden bearbeitet – allen voran Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der sich 111-mal mit Big-Tech-Vertretern traf. Auch das Europaparlament und diverse Denkfabriken sind im Visier der Lobbyisten. Nicht weniger als 14 Thinktanks listet die Studie auf. Sie seien „oft eine Komponente der Lobbyingstrategien großer Unternehmen“: Über scheinbar unabhängige Studien lasse sich die Gesetzgebung beeinflussen.

Studienautor Max Bank sieht die „gigantische Lobbymacht“ als „Gefahr für die Demokratie“. Die Zivilgesellschaft komme viel zu kurz. Hier liegt denn wohl auch das Hauptproblem: Es herrscht keine Waffengleichheit.

Während die EU-Entscheider ein offenes Ohr für Konzern- und Verbandslobbyisten haben, bleiben andere Interessengruppen außen vor. „Wir brauchen mehr unabhängige Akteure – und das nicht nur in Brüssel“, fordert Margarida Silva von Corporate Europe Observatory. Die Bürger müssten sich noch viel stärker einmischen.

Ein weiteres Problem ist aus Sicht der NGOs, dass die Transparenz immer noch zu wünschen übrig lässt. LobbyControl und Corporate Europe Observatory stützen sich in ihrer Studie auf das Transparenzregister der EU-Kommission. „Das ist gut, aber nicht gut genug“, klagt Bank von LobbyControl. Die Daten seien zu alt, zudem würden Thinktanks und andere Akteure nur unzureichend erfasst.

Und was sich in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten jenseits der „Brüsseler Blase“ abspielt, wird ohnehin meist nicht erfasst. Dabei sind es die Regierungen, die – gemeinsam mit dem Europaparlament – das letzte Wort in der Gesetzgebung haben. Wie die US-Konzerne bei den europäischen Regierungen für ihre Interessen werben, bleibt im Dunkeln.

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