Das gute Leben in der Krise

Der Senat beschließt, dass Corona noch mindestens bis zur nächsten Bürgerschaftswahl eine besondere Notsituation verursacht: So ermöglicht er, einen Haushalt aufzustellen

Haushaltsposten: Mehr Lehrkräfte sollen besser zählen lehren Foto: Friso Gentsch/dpa

Von Benno Schirrmeister

Noch herrscht Krise. Und im Entwurf für den Doppelhaushalt, den der Senat am Dienstag beschlossen hat, bleibt die Pandemie auch noch bis einschließlich 2023 beherrschendes Thema: Für den Landes-Etat ist das wichtig. Nur deshalb darf das Land Bremen ja den finanziellen Rahmen überschreiten, den ihm die prognostizierten Einnahmen vorgeben. „Das sind noch keine normalen Haushalte“, stellte Strehl klar. Die Pandemie erzeuge zugleich Mehrbedarfe und verursache Mindereinnahmen. Finanziell hinterlegt sind im Zahlenwerk etliche Maßnahmen, welche die Wirkung der Pandemie abschwächen sollen.

„Die Notlage zu erklären ist Voraussetzung dafür, dass die Handlungsfähigkeit gewahrt bleibt“ – mit diesem bemerkenswerten Satz erläuterte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) die rechtliche Konstruktion, die das Zahlenwerk ermöglicht. Andernfalls nämlich wäre es an das Neuverschuldungsverbot gebunden, das vom Grundgesetz vorgegeben und durch die Landesverfassung noch zugespitzt wird. Er sei stolz darüber, dass „in keinem Ressort gekürzt“ werde, so der Bürgermeister.

Bemerkenswert ist das auch, weil das Ausgabenvolumen im Vergleich zum laufenden Jahr um rund 7,3 Prozent sinkt: Die Bremen-Fonds Sofortmaßnahmen erleben keine Neuauflage. Statt 5,5 Milliarden, die für 2021 veranschlagt sind, soll Strehl dementsprechend 2022 nur 5,1 und im Jahr darauf dann 5,2 Milliarden Euro auf den Kopf hauen beziehungsweise bewilligen dürfen. Trotzdem soll es damit möglich sein, fast 1.500 Stellen zu schaffen oder zu verstetigen. Genannt wurden bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs vor allem 180 Lehrkräfte-Stellen, die in der Stadt Bremen zusätzlich geschaffen werden sollen.

Auch Feuerwehr, Polizei und neu entwickelte Maßnahmen des „Pakts für die öffentliche Gesundheit“ werden mit mehr Personal bedacht. Bei ihnen wächst die Zahl der Vollzeitstellen jeweils im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich.

Der Senat kann immer nur den Rahmen der Finanzplanung abstecken: Die Verwaltung hat die dafür nötigen Werte, also den Überblick, mit welchen Einnahmen zu rechnen und welche verpflichtenden Ausgaben zu tätigen sind. Die eigentliche Mittelverwendung muss dann der Gesetzgeber, also das Parlament, festlegen.

Dafür erlaubt es den Blick über den Tag hinaus. Die mittelfristige Planung für die kommenden Jahre lässt die Perspektive möglicher Normalhaushalte einer Nach-Krisen-Zeit erkennen. Und die sieht düster aus: Mit der Handlungsfähigkeit eines Senats ab 2024 ist es unter den geltenden Regelungen tatsächlich nicht so weit her. Denn dann müsste auch mit der Rückzahlung jetzt neu aufgenommener Schulden begonnen werden. Und die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wäre zu schließen. Die beziffert das Finanzressort im kommunalen Haushalt mit 171 Millionen Euro allein im Jahr 2024 – obwohl die beiden Städte ja gerade erst vom Land entschuldet worden waren – und im Jahr darauf noch mit 142 Millionen.

Die eigentliche Mittelverwendung legt dann der Gesetzgeber, also das Parlament, fest

Ebenso ist schon jetzt ein strukturelles Defizit von 36 Millionen im Landeshaushalt 2024 absehbar: Diesen Betrag bräuchte Bremen dann für dringend notwendige Investitionen.

Momentan gibt man sich stolz, dass es gelungen sei, Schulbauten an private Bauherren auszulagern; so würden alle haushaltsrelevanten Fragen „der Bürgerschaft zur Beschlussfassung vorgelegt“, wie Strehl betont. Alternativ hätte Bremen für den Schulbau den Weg von Sondervermögen gehen können; die ermöglichen, zweckgebundene Kredite jenseits des Haushalts aufzunehmen; die Legislative wird dann aber nicht mehr beteiligt. In Hessen hatte die schwarz-grüne Landesregierung auf diesen Trick gesetzt, um die Schuldenbremse zu umgehen. Eine Klage der Opposition vorm dortigen Staatsgerichtshof ist noch nicht entschieden. In der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende aber deutlich gemacht, dass dieser Weg durchaus ins Recht des Parlaments eingreift.

Der jetzige Senat kann das strukturelle Defizit der Zukunft mit einiger Coolness aufführen: „Diese Lücken“, sagt Strehl, „sind im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2024/2025 zu schließen“. Da im Frühjahr 2023 die Bürgerschaft gewählt werden muss, ist völlig offen, wer sich dann mit den Bestimmungen der Landesverfassung herumzuärgern hat. Ob die Schuldenbremse im Grundgesetz den veränderten Bedingungen angepasst wird, solle man ihn „besser erst nach der Wahl fragen“, so Strehl.