Terminabsage wegen Kindergeburtstag: Bürgermeisterin bekommt Recht

Lokalpolitiker fragten bei der Kommunalaufsicht nach, ob ihre Bürgermeisterin wegen des Geburtstags ihres Kindes einem Termin fernbleiben dürfe.

Zwei Plastik-Spielfiguren halten Luftballons in der Hand

Doch noch schnell eine Stunde Zoom-Sitzung oder Priorität für den Kindergeburtstag? Foto: Hello I’m Nik/Unsplash

HAMBURG taz | Am 3. Mai spät nachmittags forderten Ortspolitiker von CDU, FDP und Grünen im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt eine „Dringlichkeitssitzung“. Das Thema war eigentlich die Stellenpolitik der örtlichen Bürgermeisterin Verena Jeske (parteilos). Das Thema, das seither diskutiert wird, ist jedoch, inwiefern eine Frau in einer Spitzenposition auch Mutter sein kann. Es geht um die Vereinbarkeit von Führungsjob und Familie.

Denn der eilig einberufene „Hauptausschuss“ sollte noch in derselben Woche tagen – und zwar abends, um 19 Uhr. Jeske, die spät abends über ihr Büro davon erfuhr, schrieb dem Vorsitzenden, dass sie da nicht könne und sich vertreten lasse. Tagsüber habe sie Termine. Zudem feiere ihr elfjähriger Sohn Geburtstag. Sie nehme sich daher raus, am Abend bei ihrer Familie zu sein.

Die Stimmung zwischen Opposition und Stadtchefin war zu diesem Zeitpunkt schon getrübt. Er bedaure die Absage und kommentiere sie nicht, schrieb der Vorsitzende Stefan Brumm (CDU) den anderen Politikern. Weder Grüne noch FDP regten an, den Termin zu verlegen. Nur SPD-Vertreter Jan Uwe Schadendorf fragte in Richtung der Einladenden, ob „der Imperativ die übliche Form der Terminabstimmung“ sei.

Der Konflikt, über den die Kieler Nachrichten zuerst berichteten, hat ein Nachspiel. Denn es gab mehrere Streitfragen, unter anderem entschied jener Hauptausschuss, dass die Bürgermeisterin nur noch 10.000 Euro im Jahr für Berater ausgeben darf. „Sie hatte jemand Freien eingestellt, weil sich für die vakante Stelle der Wirtschaftsförderung niemand fand“, berichtet Schadendorf. Das sei ihr gutes Recht. Doch weil sich die anderen Parteien daran störten, regte er an, die Kommunalaufsicht zu fragen.

Kommunalaufsicht gab Bürgermeisterin Recht

Dieser Termin fand am 2. August in Bad Segeberg statt. Auch Jeske, die 2018 auf SPD-Vorschlag zur ersten Bürgermeisterin von Bad Bramstedt gewählt wurde, ging hin. Sie wusste aber nichts von dem Fragebogen, den CDU, Grüne und FDP mitbrachten. Unter Punkt vier wollten die drei von der Kommunalaufsicht wissen, ob die Bürgermeisterin wegen des Geburtstags ihres Kindes einen Termin ablehnen oder delegieren dürfe.

„Das macht was mit einem. Das war demütigend“, sagt Jeske zur taz. Andere Angriffe habe sie weggesteckt, „aber in dem Moment fühlte ich mich als Mutter angegriffen. Hab gesagt: Hey, ihr hattet doch auch Kinder!“ Sie arbeite bis spät abends, habe bisher kaum eine Sitzung verpasst. „Ich stelle eher meine Familie zurück als meine Arbeit.“

Die Kommunalaufsicht gab Jeske recht. Die Bürgermeisterin kann sich vertreten lassen. Es gebe „kein Recht der Politik auf persönliches Erscheinen“, heißt es im Ergebnisprotokoll, nachzulesen beim Ratsinformationsservice der Stadt. Auch in den eigentlichen Streitfragen lag Jeske richtig. Sie darf zum Beispiel flexibel über den Stellenplan verfügen, die Gemeinde gibt nur den Rahmen vor.

Der Vorgang wurde vorigen Dienstag öffentlich im Hauptausschuss diskutiert – wo es noch mal knallte. Es sei nicht so, dass man Jeske den Job nicht zutraue, weil sie Frau und Mutter sei, zitieren die Kieler Nachrichten CDU-Fraktionschef Volker Wrage. „Trotzdem sollte man in einer Führungsposition entscheiden, was wichtiger ist und private Termine hinten an stellen.“

Der Grünen-Fraktionschef Gilbert Sieckmann-Joucken sagte der taz, die Sache sei „unglücklich gelaufen“. Doch auch er könne nicht verstehen, weshalb die Bürgermeisterin sich an dem Abend nicht für eine Stunde über Zoom an der Sitzung beteiligt habe. „Wenn man in Führungsposition ist, muss man Prioritäten setzen.“ Frauenfeindlich seien die Grünen keineswegs, achteten sie doch penibel auf die Quote.

Verena Jeske, Bürgermeisterin

„Als Frau ist man schnell Zicke, bei einem Mann heißt es, der weiß, was er will“

CDU-Mann Wrage sagte der taz, die Terminabsage sei nur „ein sehr untergeordneter Punkt“. Der Konflikt gehe um die finanzielle Belastbarkeit der Kommune. FDP-Fraktionschef Dennis Schröder sagt, die Geburtstagsfrage käme nicht von der FDP. Bei der Fragenliste hätten alle Fraktionen ihre Fragen beigesteuert. „Ich bin auch Familienvater und würde einen Kindergeburtstag immer vorziehen.“

Doch laut Verena Jeske war dies nicht die erste Anfeindung. Schon im Wahlkampf 2018 habe sie ein CDUler gefragt, wie sie als Mutter kleiner Kinder ein Amt mit vielen Abendterminen schaffen wolle. „Es gibt Frauen, die sich schwer tun. Mir werden Sätze zugetragen wie: Wahrscheinlich ist ihr Rock wieder zu kurz“, sagt Jeske. Es werde einer Frau eher übel genommen, wenn sie durchsetzungsstark sei. „Als Frau ist man schnell Zicke, bei einem Mann heißt es, der weiß, was er will“.

Schweden macht's anders

Jeske ist Mitglied im Netzwerk der hauptamtlichen Bürgermeisterinnen Schleswig-Holsteins. Netzwerk-Sprecherin ist Birte Kruse-Gobrecht (parteilos), die Bürgermeisterin von Bargteheide. „Das System ist nicht gerade frauen- und mutterfreundlich“, sagt sie. Ohnehin seien viel zu wenig Frauen in diesem Amt. „Wir sind überzeugt, das ist ein strukturelles Thema.“ Anders als in Schweden, wo es eine andere Kultur der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebe, seien Abendtermine sehr üblich. Auch würde auffällig oft die Kommunalaufsicht eingeschaltet und „gefragt: Was darf die Bürgermeisterin, was darf sie nicht?“ Bei Männern sei das seltener.

Jeske berichtet, es gebe eine Whatsapp-Gruppe, in der Bürgermeisterinnen sich gegenseitig Mut machten. Sie erhalte gerade viel Zustimmung und wolle auf keinen Fall aufgeben. „Für mich ist Bürgermeisterin der schönste Beruf, den es gibt.“

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