Wasserkraft als Gefahr

Laut einer Studie des WWF sind weltweit Tausende Kilometer Gewässer durch Staudämme gefährdet. Es leidet die Artenvielfalt – aber nicht nur die

Von Kathrin Becker

Wasserkraft gilt als nachhaltig. Doch vielerorts wird sie zu ­einer Gefahr für die Arten­vielfalt an Flüssen, so das Ergebnis einer internationalen Studie von Wis­sen­­schaft­le­r:in­nen in Zusammenarbeit mit der Naturschutzorganisation WWF. Demnach sind 260.000 Kilometer frei fließender Gewässer weltweit durch den Bau neuer Wasserkraftwerke bedroht: Das entspreche in etwa der 39-fachen Länge des Nils, des längsten Stroms der Erde.

„Wasserkraft hat ein gutes Image und wird als vermeintlich grüne Energiequelle gehandelt“, sagt Theresa Schiller, Referentin für internationale Wasserressourcen beim WWF Deutschland. Die Auswirkungen der Kraftwerke, insbesondere in Verbindung mit Stauseen, auf die Umwelt seien jedoch gravierend. „Wir leben nicht nur im Zeitalter der Klimakrise, sondern auch im Zeitalter des Artensterbens“, sagt sie. Die Populationen von Süßwasser­arten sind demnach seit 1970 im Durchschnitt um 84 Prozent zurückgegangen, so viel wie in keinem anderen Lebensraum. Die Verbauung von Flüssen sei eine der Hauptursachen für diesen Rückgang. „Wir können es uns nicht leisten, die Bedeutung von Flüssen, den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt getrennt zu betrachten“, warnt Michele Thieme, Hauptautorin der Studie.

Weltweit gibt es laut der Organisation etwa 60.000 große Staudämme, mehr als 3.700 weitere sind geplant oder im Bau. Internationale Aufmerksamkeit erlangte im vergangenen Jahr der Streit um die sogenannte Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre (GERD) in Äthiopien den mit etwa 2 Kilometer Länge und einer Höhe von 145 Metern größten Staudamm Afrikas.

Derartige Megaprojekte sollen die Bevölkerung mit Strom versorgen, schüren jedoch häufig Konflikte um Wasserknappheit unter benachbarten Ländern. Staudämme bedrohten damit nicht nur Flussläufe und Artenvielfalt, sondern auch die Menschen vor Ort, sagt Theresa Schiller. In der Studie heißt es zudem, die geplanten Anlagen könnten gerade einmal 2 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen, der bis 2050 benötigt werde, um den globalen Temperaturanstieg noch unter den 1,5 Grad zu halten.