„Jugend debattiert“ im Abgeordnetenhaus: Werbung für mehr Redekunst

Endlich mal ganz ohne Floskeln: Im Parlament diskutieren junge Erwachsene mit den Berliner Spitzenkandidat*innen.

Klaus Lederer steht im Parlament mit einem Gewinner von Jugend diskutiert

In die Zange genommen: Klaus Lederer (Linke) bei „Jugend debattiert“ Foto: dpa

BERLIN taz | Vielleicht hat er das unterschätzt mit dieser Debatte mit den jungen Leuten. Jedenfalls wirkt Klaus Lederer, der Spitzenkandidat der Linkspartei, am Montag schnell etwas eingeschnappt in dem Schlagabtausch über die Enteignung von Wohnungsunternehmen, dem größten Wahlkampfthema seiner Partei.

Vielleicht ist Lederer vom Ort der Debatte auch ein anderes Niveau gewöhnt. Dort, wo er sonst als Senator vor über 150 Parlamentariern sitzt, im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses, fordern ihn und die anderen Spitzenkandidaten nun sechs junge Frauen und Männer, Absolventen Berliner Gymnasien, die in den vergangenen drei Jahren beim Wettbewerb „Jugend debattiert“ erfolgreich waren.

Und da steht nun neben ihm der diesjährige Landessieger Robin Specht und drängt ihn zu beantworten, wie die Entschädigung für die Enteignungen denn zu bezahlen wäre. Lederer verweist auf Kredite und auf Einnahmen aus der Vermietung. Specht kontert: Wie das bei einer Entschädigung möglich sein soll, die bis zu 40 Milliarden Euro kosten kann, knapp 60 Prozent des ohnehin schon über 60 Milliarden hohen Berliner Schuldenstands.

Franziska Giffey im Parlament

Franziska Giffey bei „Jugend debattiert“ Foto: dpa

Lederer wiederholt sich, erzählt wieder von den Einnahmen, über die sich das ohne Geld aus dem Landeshaushalt abzahlen lassen soll. Specht hakt nach, will erklärt haben, wie das möglich ist, weil die Linkspartei mit der Enteignung ja auch noch die Mieter entlasten will – „dann haben Sie doch noch weniger Geld zur Verfügung“.

Besser hätte das auch kein Profi-Interviewer gemacht. Was an diesem Nachmittag im Abgeordnetenhaus via Livestream zu erleben ist, ist beste Werbung dafür, Redekultur und präziser Ausdrucksweise in Schulen mehr Raum zu geben.

Die sechs jungen Leute, die Jüngsten gerade 17-jährig, zeigen, was Debatten in Reinkultur sind. Sie argumentieren inhaltsreich, ohne zu langweilen, sie spitzen auch zu, ohne populistisch zu werden, sie arbeiten nicht mit Emotionen und persönlichen Haltungen, sondern mit Fakten.

Bettina Jarasch diskutiert bei "Jugend debattiert"

Im Streitgespräch: Bettina Jarasch (Grüne) bei „Jugend debattiert“ Foto: dpa

Nix mit „schallender Ohrfeige“

Und das Schöne: Sie tun das ohne die an selber Stelle in Parlamentsdebatten öfter zu hörenden Floskeln. Keiner spricht von einer „schallenden Ohrfeige“, keine hält der anderen Seite vor, er oder sie habe „seine Hausaufgaben nicht gemacht“.

Alle sechs Politiker – für die CDU springt für Spitzenkandidat Kai Wegner Generalsekretär Stefan Evers ein – haben nach dem Schlagabtausch noch je eine Minute für Wahlwerbung. Dabei lässt die Grüne Bettina Jarasch aufhorchen. Während die anderen bloß auffordern und bitten, für ihre Parteien zu stimmen, sagt Jarasch auch, wer das nicht tun soll: „Wenn Sie glauben, dass alles schon gut ist und sich nichts ändern soll, dann sollten Sie mich lieber nicht wählen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.