Polnische Verfassung und EU-Recht: Polen setzt Disziplinarkammer aus

Warschau hat die umstrittene Einrichtung suspendiert, um Strafzahlungen aus Brüssel zu vermeiden. Der Haken: Die Suspendierung ist befristet.

Portrait von Zbigniew Ziobro

Die Suspendierung der Disziplinarkammer ist befristet, dafür sorgte Justizminister Zbigniew Ziobro Foto: Piotr Molecki/imago

WARSCHAU taz | „Polen gibt der EU nach“ oder „Polen will seine umstrittene Justizreform überarbeiten“, heißt es in einigen deutschen Medien. Doch in Wirklichkeit geht es der nationalpopulistischen Regierung in Warschau wohl nur darum, Strafzahlungen zu vermeiden, die die Europäische Kommission ihr für den Fall androhte, dass sie wieder ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) missachten würde. Am 16. August läuft das Brüsseler Ultimatum aus. Die Präsidentin des Obersten Gerichts in Warschau, Małgorzata Manowska, „suspendierte“ nun die Richter der laut EuGH illegalen Disziplinarkammer. Zudem ordnete sie an, neue „Disziplinarfälle“ nicht mehr an die Kammer, sondern an ihr Büro zu senden. Doch die Aktion hat einen Haken: sie ist bis zum 15. November befristet.

Danach können die Richter also weiterarbeiten wie bisher, die im Büro von Manowska aufbewahrten neuen Disziplinarfälle werden an die wieder aktive Kammer überwiesen. Für Interventionen der EU ist es dann schon zu spät: Im November wird der Antragstermin für eine Geldstrafe beim EuGH verstrichen sein. Und auch die Entscheidungen über EU-Zuschüsse für Staaten, die grundlegende Werte der EU wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit missachten, können nicht ewig aufgeschoben werden.

Für die „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die seit 2015 mit absoluter Mehrheit im polnischen Abgeordnetenhaus regieren kann, wäre es ein Leichtes, das Urteil des EuGH umzusetzen und die Disziplinarkammer per Gesetz abzuschaffen. Die Opposition würde mit großer Mehrheit zustimmen. Sie könnte auch alle bisherigen Urteile der Kammer für null und nichtig erklären.

Doch dies scheitert an Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro. Der mit großer Machtfülle ausgestattete Minister schäumte nach dem Urteil aus Luxemburg, dass dies ein „politisch bestelltes Urteil“ sei und Polen es nicht umsetzen werde. Später verschärfte er den Ton noch und warnte vor Maßnahmen, die aus Angst „vor einer wirtschaftlichen Erpressung“ der EU getroffen würden.

Ende des Monats soll Polens Verfassungsgericht über die Anfrage von Premier Mateusz Morawiecki (PiS) entscheiden: „Welches Recht hat in Polen Vorrang – die polnische Verfassung oder das EU-Recht?

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