„Nur punktuell aktiv zu sein, reicht nicht mehr aus“

Das neu gegründete Zentrum Klima-Anpassung soll Kommunen beim Umgang mit dem Klimawandel beraten. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Walter Kahlenborn über Hochwasser- und Dürre-Katastrophen und was man dagegen tun kann

Opfer einer Sturmflut von 2017: Dieser Imbiss an der Ostseeküste steht über der Abbruchkante Foto: Stefan Sauer/imago

Interview Simeon Laux

taz: Herr Kahlenborn, können Maßnahmen zur Klimaanpassung solche Katastrophen wie vor drei Wochen in der Eifel abmildern?

Walter Kahlenborn: Anpassungsmaßnahmen können grundsätzlich hilfreich sein, um die Schäden auch bei extremen Wetterereignissen geringer zu halten. Allerdings lässt sich nur spekulieren, inwiefern Anpassungsmaßnahmen im Einzelnen bei den jüngsten Überschwemmungen noch hilfreich gewesen wären. Bei großräumigen Extremniederschlägen wie jüngst lässt sich mit Maßnahmen der privaten Vorsorge oder durch lokale Retention, also der Zurückhaltung von Niederschlagswasser, das Anlegen von Rigolen, also unterirdischen Auffangbecken et cetera, nur begrenzt etwas ausrichten. Um solche Regenmengen in den Griff zu bekommen, bedarf es dann schon umfangreicherer Maßnahmen wie dem Anlegen von Talsperren. Möglicherweise bietet dieses Hochwasser­ereignis aber auch Anlass für Diskussionen um neue Siedlungskonzepte entlang der Überflutungs-Risikogebiete.

Das heißt, ein Restrisiko bleibt bestehen?

Ja, gewisse Restrisiken werden wir immer haben. Davor wird uns auch keine Klima-Anpassung schützen können. Aber: Wir können und müssen mit den zu erwartenden Risiken des Klimawandels besser umgehen. Wir müssen sie reduzieren, soweit möglich und sinnvoll. Und da, wo Klimaschäden nicht vermieden werden können, muss etwa über Versicherungslösungen nachgedacht werden. Wir müssen also auch den Versicherungsschutz als Instrument entsprechend verbessern.

Sie sprechen gezielt Kommunen an. Warum ist es so wichtig, vor Ort in den Gemeinden aktiv zu werden?

Der Klimawandel äußert sich vor allem lokal und das teils sehr unterschiedlich. Im Mittelgebirge sind es die Sturzfluten, im norddeutschen Raum sind die Kommunen von Sturmfluten betroffen und am Oberrhein oder in Ballungsräumen bereitet Hitze ein besonderes Problem. Das kann man gar nicht auf übergeordneter Ebene vollständig lösen. Bund und die Länder können sicher unterstützen, aber letztlich muss sich jede einzelne Kommune genau überlegen, inwiefern sie vom Klimawandel betroffen ist. Habe ich vor Ort ein Fließgewässer, das mir Schwierigkeiten bereiten kann? Trifft die Trockenheit in besonderem Maße die Wälder im Bestand der Kommune oder die lokale Landwirtschaft? Hier kann unser Zentrum Klima-Anpassung dann hilfreich sein.

Und wie unterstützen Sie auf diesem Weg?

Vertreter*innen aus Kommunen fragen zum Beispiel, wie andere Gemeinden Klima-Anpassung betreiben, welche Konzepte sie haben und wie sie sie umsetzen. Wir können dann erfolgreiche Projekte aus anderen Regionen aufzeigen und einen Austausch vermitteln. Außerdem bieten wir wöchentlich Online-Sprechstunden zu verschiedenen Schwerpunktthemen an. Da geht es dann etwa um Schwammstadt-Konzepte, also die Speicherung von Regenwasser in Städten, oder wie man den naturbasierten Rückbau eines Fließgewässers realisieren kann. Wir beraten aber auch vor Ort, also da, wo die Maßnahmen umgesetzt werden sollen.

Sie richten sich auch an soziale Einrichtungen. Inwiefern sind denn Kindergärten und Krankenhäuser von den Folgen des Klimawandels betroffen?

Foto: Kai Abresch

Walter Kahlenborn

56, leitet als Wirtschaftswissenschaftler Forschungs- und Beratungsprojekte zu den Themen Klima und nachhaltiges Wirtschaften. Er ist Geschäftsführer der Denkfabrik „adelphi“ und leitet seit Juli das neue „Zentrum Klima-Anpassung“.

Soziale Einrichtungen richten sich vielfach an die mit Blick auf den Klimawandel besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Im Falle von Hitzewellen beispielsweise, die ja zu vielen Hitzetoten auch in Deutschland geführt haben, stammen die Opfer vielfach aus den Bevölkerungsgruppen, die älter und gesundheitlich vorbelastet sind. Da sind Krankenhäuser und Seniorenresidenzen etwa besonders angesprochen. Bei existierenden Einrichtungen kann man beispielsweise prüfen, inwiefern sich die Verschattungssituation verbessern lässt, sodass sich die Gebäude weniger aufheizen. Künftig kann man schauen, ob man Seniorenresidenzen etwa verstärkt im Umland ansiedelt, wo es etwas kühler ist.

Gibt es Unterschiede bei der Anpassung ans Klima zwischen Stadt und Land?

Unterschiede gibt es in diverser Hinsicht schon mit Blick auf die Betroffenheit: Zum einen gibt es in den Städten offenkundig mehr Infrastrukturen, die beschädigt werden können. Zum zweiten heizen sich städtische Ballungsräume stärker auf, der sogenannte Wärmeinseleffekt. Die Unterschiede zwischen Stadt und Umland können schnell mehrere Grad betragen. Umgekehrt leben auf dem Land tendenziell eher ältere Bevölkerungsgruppen, die sensitiver gegenüber der Hitze sind. Unterschiede gibt es aber nicht nur mit Blick auf die Betroffenheit, sondern auch mit Blick auf die Anpassungsmöglichkeiten: Hier sind die Städte grundsätzlich besser aufgestellt, sowohl wirtschaftlich als auch von den Verwaltungsstrukturen her. Deutsche Großstädte haben häufig schon eigene Klimaanpassungspläne. Die Möglichkeiten der Klimaanpassung sind hier also vielfach größer und die Kenntnisse ausgeprägter.

Gibt es im Norden andere Bedürfnisse als im Rest der Republik?

Wir haben im nordostdeutschen Raum viel mit Trockenheit zu tun, die der Klimawandel unter Umständen weiter verstärken kann. Auf diese Herausforderung müssen sich die Kommunen vorbereiten. Was die künftige Niederschlagssituation anbelangt, sind die langfristigen Prognosen für den norddeutschen Raum tendenziell günstiger als etwa für den Südwesten. Der Meeresspiegelanstieg wiederum betrifft natürlich nur Norddeutschland.

Und wie sind wir im Norden derzeit aufgestellt?

Hamburg hat schon einiges vorangebracht und ist etwa bekannt für seine Gründachstrategie. Auch bei den weiteren Bemühungen in Richtung eines Schwammstadt-Konzeptes ist Hamburg recht weit: also anfallendes Regenwasser lokal in der Stadt aufzunehmen und zu speichern. Auch Bremen hat eine eigene Strategie zur Klimaanpassung und Hannover ist ebenfalls aktiv und versucht jetzt auch als Region Hannover in die umliegenden Kommunen hinein zu wirken und die erzielten Erkenntnisse vermehrt ins Umland zu tragen.

Das „Zentrum Klima-Anpassung“ mit Sitz in Köln und Berlin hat Anfang Juli seine Arbeit aufgenommen. Es wird im Auftrag des Bundesumweltministeriums von der Beratungseinrichtung „adelphi“ und vom „Deutschen Institut für Urbanistik“ betrieben.

Und was ist mit den Küsten? Immerhin ist der Meeresspiegel laut nationalem Klimareport auch in Deutschland deutlich angestiegen, in der Deutschen Bucht um rund 41 Zentimeter in den vergangenen 170 Jahren.

Die betroffenen Länder sind seit geraumer Zeit dabei, sich auf einen Anstieg des Meeresspiegels vorzubereiten und bauen ihre Deiche entsprechend aus. Das nimmt man in der Bevölkerung sicherlich am meisten wahr. Ganz wichtig sind aber auch verschiedene weitere Maßnahmen zum Küstenschutz: Der Ausbau von Wellendämpfern, von Sandbänken, von Erosionsschutzstreifen oder die Schaffung sogenannter Lahnungsfelder, die als Uferschutzanlagen dienen. Es geht darum, Wattflächen wiederzugewinnen, die sonst vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht werden. Hier kann man also mit naturbasierten Maßnahmen arbeiten, um die naturraumtypische Ufervegetation zu stärken.

Wir befinden uns also auf einem guten Weg?

Es gibt schon seit einigen Jahren verschiedenste Pilotprojekte aus Politik und Verwaltung oder auch Initiativen aus der Gesellschaft heraus. Es gilt nun, daran anzuknüpfen. Nur punktuell aktiv zu sein, reicht nicht mehr aus. Wir müssen in die Breite hinein wirken und auch die Kommunen auf dem flachen Land erreichen, die sich mit dem Thema Klimawandel bisher nicht auseinandersetzen konnten, weil ihnen dazu schlicht die Ressourcen fehlten. Dabei wird das Zentrum Klima-Anpassung künftig eine wichtige Rolle spielen.