Christopher Street Day 2021: Vergesst die Lesben nicht!

Von der nächsten Bundesregierung erwartet unsere Autorin mehr Einsatz. Insbesondere für gleichgeschlechtliche Mütter müsse sich etwas ändern.

Die Lesben kommen! Hier am Dyke* March Berlin 2019 Foto: dpa/F. Boillot

Homosexuelle können in Deutschland längst heiraten. Na bravo. Damit könnten wir in Anbetracht der anstehenden Bundestagswahl fröhlich meinen: Hey, alles easy, Homos dürfen den Bund der Ehe schließen, Diskriminierung beendet, nun stehen andere Themen auf der Tagesordnung.

In Berlin und Hessen gibt es sogar einen vom Land ausgelobten „Preis für Lesbische* Sichtbarkeit“, allerdings stieß das nicht nur auf Wohlwollen. So kommentierte zum Beispiel Gunnar Schupelius 2018 die Einführung des Berliner Preises in der B.Z. mit den Worten: „Aber diese Diskriminierung ist offiziell schon beendet. Homosexuellen Menschen drohen heute formal keine Nachteile mehr. Dafür sorgt der Staat mit seinen Gesetzen, mehr kann er nicht tun.“

Falsch! Abgesehen davon, dass die Möglichkeit, seine monogame Zweierbeziehung staatlich legitimieren zu lassen, ein fragwürdiger Fortschritt ist, den Feministinnen einst als patriarchale Machtstruktur erkannten, sind deswegen noch längst nicht alle Ungerechtigkeiten abgebaut. Mit dem Ehescheinchen haben wir nicht einmal automatisch die gleichen Rechte gekauft.

Denn während ein Kind, das in einer heterosexuellen Ehe geboren wird, laut Bürgerlichem Gesetzbuch automatisch einen rechtlichen Vater hat, egal ob der Ehemann tatsächlich biologisch verwandt ist oder nicht, wird in einer lesbischen Ehe die zweite Mutter nicht gesetzlich anerkannt. Sie muss das Kind mittels einer langwierigen Stiefkindadoption adoptieren!

Gedenken an verfolgte Lesben

Und bleiben wir beim Thema Kinderwunsch: Während der Staat grundsätzlich ein beachtliches Interesse an der Kinderwunschförderung hat, weil er sich damit Einzahlungen ins Sozialsystem und Steuereinnahmen verspricht, gilt das nicht für Lesben.

Denn den Kassenärztlichen Zuschuss (je nach Krankenkasse und Verfahren zwischen 50 und 100 Prozent) erhalten nur verheiratete Heteropaare. Lesben sollen mal schön selbst schauen, wie sie das kostspielige Verfahren alleine stemmen.

Weiter geht es mit der Aufarbeitung der Gräueltaten im Nationalsozialismus. Während nach über 75 Jahren unterschiedliche verfolgte Gruppen ein offizielles Gedenken erhalten, war der Weg zu einer ersten Erinnerung an verfolgte und ermordete homosexuelle Frauen lang.

Nach fast 40 Jahren Widerstand wird es nun 2022 im ehemaligen Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück zur Erinnerung an lesbische NS-Verfolgte eine Gedenkkugel aus Keramik geben.

Erhöhung der lesbischen Sichtbarkeit

Im Übrigen mussten nach 1945 in der BRD lesbische Frauen bei einer heterosexuellen Scheidung um das Sorgerecht ihrer Kinder bangen. Zu diesem Ergebnis kam ein vom Land Rheinland-Pfalz beauftragtes Forschungsprojekt.

Demnach stellten nur allzu oft Behörden das „Kindeswohl“ in Frage, wenn eine Frau ihren Ehepartner verließ, um danach lesbisch zu leben. Bis in die Neunzigerjahre hinein entzogen Gerichte lesbischen Müttern das Sorgerecht. Als kürzlich die Grünen im Bundestag aber einen Antrag auf eine bundesweite Studie zum Thema forderten, scheiterte das an den Stimmen von SPD, CDU und AfD.

In Berlin hingegen hat die aktuelle rot-rot-grüne Landesregierung schon 2016 in ihren Koalitionsvertrag die Erhöhung der „lesbische Sichtbarkeit“ festgeschrieben, um lesbische Projekte stärker zu fördern und spezifische Diskriminierung abzubauen.

Wie wäre es, wenn die neue Bundesregierung neben all den bekannten Themen – Klimawandel, Rassismus, Armut et cetera – auch lesbische Belange mit in den Fokus rückte? In Berlin führte das schließlich unter anderem zum „Preis für Lesbische* Sichtbarkeit“, der die jahrzehntelange Arbeit von Aktivistinnen würdigt.

Zeit für Aufarbeitung und Entschädigung

Liebe zukünftige Bundesregierung, schaff endlich die unsägliche Stiefkindadoption für lesbische Paare ab! Damit ein Kind, dass in einer gleichgeschlechtlichen Ehe geboren wird, eben auch rechtlich von Geburt an zwei Mütter hat. Und wenn ihr schon dabei seid, erweitert doch bitte die Unterstützung der Krankenkassen beim Kinderwunsch.

Legt den Grundstein für ein bundesweites Gedenken an verfolgte Lesben. Und letztlich wird es höchste Zeit für eine Aufarbeitung und Entschädigung der jahrzehntelangen Diskriminierung von homosexuellen Müttern, die um das Sorgerecht ihrer Kinder bangen mussten. Liebe zukünftige Bundesregierung, vergiss die Lesben nicht!

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