LGBTQ-Referendum in Ungarn: Trauerspiel, nächster Akt

Beim Referendum über LGBTQ liefert Ungarns Regierungschef die Antwort gleich mit. Und Orbán weiß: Echten Druck hat er aus Brüssel nicht zu erwarten.

Viktor Orbán im Flaggenmeer

Ungarn-Flaggen hui, Regenbogen-Flaggen pfui: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán Foto: Darko Vojinovic/ap

Vorhang auf zum nächsten Akt in der Schmierenkomödie von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Aber aufgepasst: Jetzt wird es interaktiv, denn das Volk darf mitmachen. In einem Referendum – Veranstaltungstermin bislang unbekannt – sollen sich die Un­ga­r*in­nen zu einem neuen Gesetz gegen die Darstellung von Homosexualität äußern.

Was als sogenannte Volksabstimmung daher kommt, ist in Wahrheit nichts anderes als die Aufforderung, den menschenverachtenden Kurs der ungarischen Regierung nebst gravierender Einschnitte bei demokratischen Grundrechten gegenüber sexuellen Minderheiten abzusegnen. Alles zum Schutze der Kinder natürlich, die vor Pädophilie geschützt werden müssen. Derer sind alle LGBTQ-Menschen per se verdächtig.

Das Schöne an dem All-inclusive-Paket ist, dass Orbán seinen Landsleuten gleich noch die Empfehlung mit auf den Weg gibt, mit nein zu stimmen. Klar: Der Souverän in Ungarn hat offensichtlich nicht genug Hirn, um selbstständig denken und handeln zu können.

2016 erwies sich das leider als komplette Fehleinschätzung. Bei einem Referendum über eine Quotenregelung der EU zur Aufnahme von Geflüchteten stimmte zwar eine deutliche Mehrheit dagegen.

Kriegserklärung an die EU

Leider fanden jedoch nur 43 Prozent den Weg an die Urnen – das Referendum war mangels ausreichender Beteiligung ungültig. Doch Geflüchtete, die es in Ungarn ohnehin kaum gibt, haben als Hassobjekt mittlerweile ausgedient. Deshalb müssen jetzt eben LGBTQ-Menschen herhalten, denen Orbán ohnehin bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Leben zur Hölle macht. Die irrige Hoffnung dabei ist, dass das irgendeine politische Dividende bringen könnte.

Und die wird auch für Viktor Orbán immer wichtiger. Im kommenden Frühjahr finden Parlamentswahlen statt, eine satte Mehrheit für die Regierungspartei Fidesz ist schon längst kein Selbstläufer mehr. Zudem bietet das Referendum eine willkommene Möglichkeit, von dem Skandal um die Ausspähungssoftware Pegasus abzulenken, der auch in Ungarn immer weitere Kreise zieht.

Die jüngste Ansage aus Budapest ist auch eine weitere Kriegserklärung Orbáns an die EU, die in der vergangenen Woche wegen des Anti-LGBTQ-Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest eingeleitet hat. Doch Orbán ist klug genug zu wissen, dass handfeste Konsequenzen, sollte es sie denn geben, dauern können. Das wirft gleichzeitig die Frage auf, wie lange sich Brüssel noch vorführen lassen will.

Denn fest steht: Das Trauerspiel mit Orbán als Hauptdarsteller wird weiter gehen. Vielleicht sollte die EU zu Beginn der neuen Spielzeit mal ein gründlich überarbeitetes Drehbuch vorlegen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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