Hilfe für belarussische Zivilgesellschaft: Fördergelder stecken fest

Zugesagte Fördergelder für den deutsch-belarussischen Austausch fließen nicht. Das Auswärtige Amt ist überfordert.

Portrait von Heike Maas

Außenminister Heiko Maas: Woran hapert es bei der Hilfe für Belarus? Foto: Olivier Hoslet/ap

BERLIN taz | Seit Beginn der Proteste im Zuge der belarussischen Präsidentschaftswahlen im August vergangenen Jahres geht Machthaber Alexander Lukaschenko rigoros gegen Oppositionelle und Jour­na­lis­t:in­nen vor. Auch Ak­teu­r:in­nen der Zivilgesellschaft sind heftigen Angriffen ausgesetzt. Erst im Juli hat das Justizministerium rund 50 NGOs verboten, darunter auch Menschenrechtsorganisationen. Recherchen der taz ergeben, dass in dieser dramatischen Situation auch zivilgesellschaftliche Projekte in Belarus vor dem Aus stehen, weil das Auswärtige Amt eigentlich zugesagte Fördergelder nicht endgültig bewilligt. Der Grund: Die zuständige Behörde ist überfordert.

„Unser Projekt ist eines der wenigen noch möglichen, das unabhängige Menschenrechtsarbeit in Belarus vorsieht – oder besser: vorsähe. Wenn es denn finanziert würde“, erklärt Frank Brendle. Er ist Geschäftsführer vom Bildungswerk für Friedensarbeit. Die deutsche Organisation führt mit belarussischen Partnerorganisationen ein Projekt gegen die Diskriminierung von Rom:­nja in Belarus durch.

Geplant sind fünf Ausstellungen zum Genozid an Rom:­nja während des Zweiten Weltkrieges. Außerdem: Seminare mit Ver­tre­te­r:in­nen der Zivilgesellschaft und von Behörden, Leh­re­r:in­nen sowie Ak­teu­r:in­nen aus Deutschland. Es gehe darum, „allen Beteiligten die staatsbürgerlichen Rechte von Minderheiten zu vermitteln“, so Brendle.

Doch das Projekt ist gefährdet. Noch immer wartet das Bildungswerk auf 50.000 Euro. Dabei wurde das Geld durch das Auswärtige Amt eigentlich schon zugesagt – im Rahmen des Programms „Austausch mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ (ÖPR-Programm). „Am 23. Juni wurde uns mitgeteilt, die inhaltliche Prüfung sei mit positivem Votum abgeschlossen“, sagt Brendle. Doch die endgültige Budgetbewilligung steht noch aus.

Das Auswärtige Amt bittet erstmal um Verständnis

Die hätte laut Brendle eigentlich schon im April oder Mai erfolgen sollen. „Wir haben nun einen Teil aus eigenen Mitteln vorgeschossen, können aber jetzt nicht weiter. Das Projekt muss wahrscheinlich abgebrochen werden“, meint er. Das hat Brendle auch dem Auswärtigen Amt mitgeteilt. Zumindest soll der Projektantrag jetzt prioritär behandelt werden. Am Donnerstag erhielt Brendle eine E-Mail mit Nachfragen zum Finanzierungsplan. Immerhin scheint nun etwas Bewegung in die Sache zu kommen.

Denn lange Zeit passierte wenig: Der Grund für die Verzögerung sind Bürokratieprobleme im Auswärtigen Amt. Seit Anfang des Jahres wird dort das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten aufgebaut. Das ist für die Prüfung und Bewilligung der Budgets im Rahmen der ÖPR-Projektförderung zuständig. Aber die neue Behörde, die dem Auswärtigen Amt untersteht, ist offenbar stark überfordert.

In einer Mail an das Bildungswerk von Anfang Juni, aus der Brendle zitiert, erklärt das Auswärtige Amt: Man bitte um Verständnis für die Kol­le­g:in­nen beim Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten. „Der zu leistende Aufbau einer neuen Bundesbehörde und die parallele Übernahme der finalen Projektbearbeitung im ÖPR-Programm bringen leider Verzögerungen mit sich.“ Man bedaure die Situation und sei sich bewusst, dass die lange Überbrückung bis zum Erhalt des Förderbescheids nicht leicht sei und mitunter große Schwierigkeit mit sich bringe.

Der Zeitpunkt für die Verzögerungen könnte kaum ungünstiger sein. Als die Regierung im Juli belarussische NGOs dichtmachte, wurde auch eine Razzia bei einem Projektpartner des Bildungswerks, dem Belarussischen Helsinki-Komitee, durchgeführt. „Niemand war im Büro, die Sicherheitskräfte haben die Tür eingeschlagen“, schrieb die Menschenrechtsorganisation auf Twitter.

Kein Einzelfall?

Das Komitee appelliert nun an internationale Organisationen, öffentlich Stellung zu beziehen und die Zivilgesellschaft zu unterstützen. An die Projektförderung aus Deutschland glaube das Helsinki-Komitee aber nicht mehr, meint Brendle. „Unsere Partner halten sich mit Kommentaren sehr zurück, aber ich kann ihnen kaum glaubhaft machen, dass die Kooperation der deutschen mit der belarussischen Zivilgesellschaft höchste Priorität für das Auswärtige Amt hat.“

Das Auswärtige Amt will den Fall des Bildungswerks auf taz-Nachfrage nicht kommentieren. Es lässt aber verlautbaren: „Die Stärkung der belarussischen Zivilgesellschaft ist ein zentrales Element der deutschen und europäischen Politik gegenüber Belarus, insbesondere angesichts der massiven Repression gegen die Zivilgesellschaft.“ Mit dem „Aktionsplan Zivilgesellschaft Belarus“ habe man seit Jahresbeginn 21 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Dieses Geld sei auch für die Projektförderung im Rahmen des ÖPR-Programms gedacht. Für 2021 seien 72 Projektanträge mit Partnerorganisationen aus Belarus gestellt worden. Bisher haben laut Auswärtigem Amt nur 24 einen endgültigen Förderbescheid erhalten.

Ob bereits Fördermittel ausgezahlt wurden, wollte ein Pressesprecher nicht sagen. Auch nicht, welchen Bearbeitungsstatus die anderen 48 Projektanträge haben. Sie könnten – wie das Bildungswerk – ebenfalls von der Überforderung des neuen Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten betroffen sein. Gegenüber der taz bestätigte bisher ein anderes Projekt die Verzögerung der Mittelbewilligung im Rahmen des ÖPR-Programms. Brendle ist sich sicher, dass das Bildungswerk kein Einzelfall ist.

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