Bolsonaros Niederlage im Parlament: Etappensieg für die Demokratie

Brasiliens Parlament lehnt die umstrittene Wahlreform des Präsidenten ab. Gut so – aber sein nächster Angriff auf die Demokratie kommt bestimmt.

Schwarze T-Shirts hängen an der Leine mit Pro-Bolsonaro Sprüchen bedruckt

Die Wahlreform ist erst mal gescheitert, aber Bolsonaro und seine Anhänger bringen sich in Stellung Foto: Eraldo Peres/ap

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat es im Moment wahrlich nicht leicht. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ermittelt zum dilettantischen Umgang der Regierung mit der Pandemie. Die Wirtschaft kommt nur langsam in Fahrt. Der Unmut der Bevölkerung wächst. Und am Dienstag stimmte die Abgeordnetenkammer gegen eine vom Präsidenten befürwortete Wahlreform.

Seit Wochen macht Bolsonaro Stimmung gegen das elektronische Wahlsystem – obwohl es seit seiner Einführung keinerlei Anzeichen für Manipulationen gegeben hat. Ohne Beweise vorzulegen, nährt der Rechtsradikale Zweifel. Er erklärte mehrfach, die Ergebnisse der Wahl 2022 nicht anzuerkennen, und sagte sogar: Ohne die Reform könnten die Wahlen ausfallen.

Bolsonaro mimt den Trump. Überraschend ist das nicht: Der Pöbelpräsident hat aus seiner Verachtung für die Demokratie nie einen Hehl gemacht – bei seinen radikalen Anhängern kommt das gut an. Die sehen sich durch die jüngste Abstimmung in ihrer paranoiden Vorstellung bestätigt, dass ein Komplott gegen die Regierung im Gang sei. Eine weitere Radikalisierung droht. Am Tag der Abstimmung fand in der Hauptstadt Brasília eine Militärparade statt, wahrscheinlich auf Befehl Bolsonaros.

Dass Panzer durch das Regierungsviertel rollten, verstanden viele als direkten Einschüchterungsversuch. Plant Bolsonaro einen Putsch? Wird die nächste Wahl wie geplant stattfinden können? Dass Brasilien solche Fragen diskutieren muss, läuft ganz nach Bolsonaros Plan. Das Gefühl, jederzeit putschen zu können, verschafft ihm Macht. Die Angst der Gesellschaft ist so etwas wie der Treibstoff seines autoritären Regierungsprojekts.

Bolsonaro versteht es wie kein Zweiter, die Grenzen der demokratischen Institutionen auszutesten: durch Attacken auf das Wahlsystem. Durch Putschdrohungen. Durch die ständigen Provokationen. Die gescheiterte Wahlreform ist ein Etappensieg für Bra­si­liens Demokratie. Mehr aber auch nicht. Denn der nächste Angriff kommt bestimmt.

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Niklas Franzen, Jahrgang 1988, ist Journalist und ehemaliger Brasilien-Korrespondent. Im Mai 2022 erschien sein Buch “Brasilien über alles - Bolsonaro und die rechte Revolte” bei Assoziation A.

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