die woche in berlin
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Die Bezirke dürfen nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Airbnb zur Datenherausgabe verpflichten – doch das nützt erst mal nicht viel. Dem Innensenator schwebt ein Ankerverbot für Haus- und Kulturboote jenseits der teuren und rar gesäten Hafenplätze vor. Und Bettina Jarasch stellt einen Mietenschutzschirm vor und legt sich zum ersten Mal auf ihr Votum beim Volksentscheid am 26. September fest

Etappensieg, der erst mal nichts bringt

Bezirke dürfen Airbnb zur Datenherausgabe verpflichten

Das Einhalten von Recht und Gesetz ist auch in der als vergleichsweise locker geltenden Hauptstadt eine wichtige Angelegenheit. Geht es zum Beispiel um Brandschutzmängel in einem linken Hausprojekt, fährt man gerne ein paar Hundertschaften auf, um diese zu beheben. Und will ein Betreiber Musikveranstaltungen in seinem Strandbad veranstalten, scheitert das schon mal an dem unerbittlichen Widerstand des Ordnungsamtes. Wie zuletzt am Plötzensee geschehen, wo letzten Samstag eine Open-Air-Veranstaltung per Polizeieinsatz beendet wurde.

Deutlich weniger Probleme mit Rechtsbrüchen haben hingegen internationale Großkonzerne wie etwa die Ferienwohnungvermittlungsplattform Airbnb. Denn seit der Einführung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes 2014 ist das Geschäftsmodell des US-Unternehmens de facto illegal.

Dieses besteht in der Regel darin, dass findige Un­ter­neh­me­r:in­nen Miet- und Eigentumswohnungen auf der Plattform als Ferienwohnungen vermieteten und somit ein Vielfaches der üblichen Marktmiete einnahmen. Fataler Nebeneffekt dieser Praxis ist, dass sie die bestehende Wohnungsnot noch weiter verschärft. Die in dieser Woche erschienene Studie „Loft mit Aussicht auf Verdrängung“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt das noch einmal eindrücklich.

Das Gesetz besagt, dass die kurzzeitige Vermietung von Wohnraum nur in Ausnahmefällen genehmigt wird. Trotzdem werden durch die Plattform immer noch 10.000 Wohnungen dem Berliner Mietmarkt entzogen, kaum eine davon hat eine offizielle Genehmigung als Ferienwohnung.

Die Ver­mie­te­r:in­nen rechtlich zu verfolgen, ist schwierig, denn freiwillig will Airbnb deren Daten nicht herausrücken. Daran wird auch ein neues Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts nichts ändern, das den Konzern genau dazu verpflichtet. Denn die Richter ließen eine Berufung zu – und bis das Urteil in letzter Instanz ausgefochten ist, könnten ein paar Jahre ins Land gehen. Und selbst dann dürfte es schwierig werden, da die Herausgabe der Daten erst per Gerichtsvollzug in Irland eingetrieben werden müsste.

Salopp formuliert tanzt also Airbnb der Stadt seit Jahren auf der Nase herum. Um dem Treiben ein Ende zu bereiten, bräuchte es vor allem politische Entschlossenheit. So müsste noch die letzte Lücke des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes geschlossen werden – dagegen sträubt sich allerdings die SPD –, derzeit nämlich gilt eine Ausnahme bei einer Vermietung von maximal 90 Tagen im Jahr.

Letztendlich führt sich die Koalition in ihrem laxem Umgang mit dem US-Unternehmen selber vor. Was bringt es, Gesetze zu erlassen, wenn diese systematisch missachtet werden? Im Gegensatz zu linken Freiräumen und Open-Air-Partys wäre hier ein hartes Durchgreifen mal eine erfrischende Abwechslung, die ganz nebenbei das Vertrauen in den Rechtsstaat ein gutes Stück wiederherstellen könnte. Die Hundertschaften wären vor illegal vermieten Airbnb-Wohnungen alle­mal besser aufgehoben.

Jonas Wahmkow

In Tip-Top-Schritten zur polierten Stadt

Ankern in Berlins Gewässern soll verboten werden

Das Glattpolieren der Rummelsburger Bucht geht scheinbar in die nächste Runde: Nun sollen wohl auch die Haus- und Kulturboote, die dort regelmäßig vor Anker liegen und zumeist der alternativen Szene angehören, vertrieben werden. Es ist die letzte Entwicklung einer jahrelangen Verdrängungsgeschichte, in der zuletzt im Februar ein Obdachlosencamp zugunsten des Touristenaquariums Coral World geräumt wurde.

Hauptakteur ist Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), allerdings in seiner Rolle als zuständiger Wahlkreisabgeordneter. Scheinbar wandte sich Geisel schon Ende vergangenen Jahres mit der Bitte an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dieser möge doch den Paragrafen 21.24 der Binnenschifffahrtsstraßenordnung ändern. Darin enthalten ist eine Ausnahmeregelung, die es – im Klartext formuliert – Be­sit­ze­r:in­nen von Haus- und Kulturbooten ermöglicht, diese auch an ungenehmigten Stellen für einen Tag unbewacht liegen zu lassen.

Fiele diese Ausnahme, wäre es aufgrund der teuren und rar gesäten Hafenplätze wohl vorbei mit Bootpartys, Kulturveranstaltungen und dem politischen Protest vom Wasser aus, für welche die Hausboote regelmäßig genutzt werden. Der Grund für Geisels Vorpreschen sind Beschwerden von An­woh­ne­r:in­nen in den teuren Neubauten, die rings um die Bucht entstanden sind. Hier fühlt man sich wohl von Lärm, Dreck und dem schlechten Zustand einiger Boote gestört.

Es werden nicht alle Beschwerden der An­woh­ne­r:in­nen völlig unbegründet sein. Dennoch tritt erneut das bekannte Muster der Gentrifizierung zutage: Nach der Aufwertung eines Viertels und dem Zuzug einer kapitalträchtigen Bevölkerungsschicht beginnt eine Verdrängungswut gegen all jene, die eben nicht leben wollen wie in einem Schöner-Wohnen-Katalog. Dass der alternative Flair den Hype um das Viertel erst geschürt hat, wird gezielt verdrängt.

Geisels Plan geht mit beträchtlichen Kollateralschäden einher: Denn ist ein Ankerverbot erst einmal beschlossen, gilt es nicht nur in der Rummelsburger Bucht, sondern überall. Betroffen wären all jene, die auf dem Wasser Sport, Tourismus oder Kultur betreiben. Wenn Geisel diese Konsequenzen in Kauf nimmt, nur um ein paar Alternative aus der Bucht zu vertreiben, dann scheint ihm die Kommerzialisierung der Stadt ein persönliches Anliegen zu sein. Timm Kühn

Der ewige Eiertanz

Die Berliner Grünen wollen Enteignungen. Oder?

Ein klares Jein in der Enteignungsfrage hat die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch am Mittwoch geäußert. Sie werde zwar beim Volksentscheid im September mit einem „Ja“ für das Anliegen der Kampagne Deutsche Wohnen und Co Enteignen stimmen, sagte Jarasch. Gleichzeitig aber solle die von über 350.000 Ber­li­ne­r*in­nen geforderte Vergesellschaftung nur „Ultima Ratio“ sein, wenn die Wohnungswirtschaft sich nicht unter einen zugleich vorgestellten Mietenschutzschirm der Grünen flüchtet. Jarasch warb nämlich gleichzeitig für einen Pakt mit der Wohnungswirtschaft – einem vermeintlich rechtssicheren Weg.

Laut Vorschlag der Grünen soll der Pakt verbindlich sein für Ver­mie­te­r*in­nen und Eigentümer*innen. Sie sollen für fünf Jahre auf Mieterhöhungen verzichten, in Neuverträgen günstige Mieten anbieten, auf Umwandlung in Eigentum und die Ausschüttung von Dividenden verzichten. Stattdessen sollen sie investieren in Instandhaltung, Sanierung und Neubau – und erhalten im Gegenzug Privilegien wie etwa ein Erbbaurecht auf landeseigene Flächen. 50 Prozent von Berlins Wohnungsbeständen sollen so nach gemeinwirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet werden. Wenn das Ziel nicht erreicht werde, wird enteignet, so die Botschaft.

Mal abgesehen davon, dass 375.000 Ber­li­ne­r*in­nen nicht für einen Pakt mit der Wohnungswirtschaft unterschrieben haben: Seit wann funktioniert Gemeinwohl per Selbstverpflichtung? Konzerne wie Vonovia, die Deutsche Wohnen, Akelius und Heimstaden betreiben seit dem bundesweiten Erstarken von Mietenbewegungen schon länger Social Washing, indem sie behaupten, sich sozialen Standards zu verpflichten.

Hinterlegt ist das nicht: Gleichzeitig klagen Konzerne gegen den zusammen mit der Wohnwirtschaft erarbeiteten Mietspiegel, setzen saftige Mieterhöhungen durch, umgehen die Mietpreisbremse, zocken ab bei Nebenkostenabrechnungen, wandeln in Eigentum um und führen Luxusmodernisierungen durch. Man könnte auch sagen: Sie gehen ihrem Geschäftsmodel nach. Denn Profite mit der Miete zu machen, ist nun mal ihr Geschäft. Mit allen sozialen Konsequenzen.

Das Selbstverpflichtungen häufig eher wenig bringen, dürften die Grünen eigentlich längst aus Erfahrungen mit der Lebensmittelindustrie oder der Landwirtschaft wissen. Warum sollte das plötzlich bei Wohnraum klappen? Der Wohnwirtschaftsverband BBU war dann nach dem Grünen-Vorstoß auch leicht pikiert ob der mitschwingenden Enteignungsdrohung. Die Enteignungsfrage bleibt ein Eiertanz für die Grünen, die auf Bundesebene immerhin zusammen mit der CDU regieren wollen.

Gut ist angesichts dessen immerhin, dass Jarasch doch recht deutlich gesagt hat, dass sie für den Volksentscheid stimmt. Das dürfte zumindest dem Anliegen der Kampagne durchaus auch in einem enteignungsskeptischen Milieu Auftrieb geben. Gareth Joswig

Dass Selbstver­pflich­tungen häufig eher wenig bringen, dürften die Grünen eigentlich längst wissen. Warum sollte das plötzlich bei Wohnraum klappen?

Gareth Joswig über das Jein der grünen Spitzenkandidatin Bettina Jarasch zur Enteignungsfrage