Die Coronabibel bei Olympia: Betreutes Einkaufen

Eine Mail verspricht den Pressevertretern ein wenig Bewegungsfreiheit. Aber möchte man sich wirklich unter einen Überwachungsschirm begeben?

Eine Security-Mitarbeiterin im Presszetrum neben eine Tafel miot Coronaregeln

Würden Sie mit dieser Frau einkaufen gehen? Security-Mitarbeiterin im Olympiapressezentrum Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

Im Eingangsbereich meines Hotels steht ein „Security Desk“ von Tokyo2020, an dem zwei Männer in Uniform den ganzen Tag Löcher in die Luft starren. Trotzdem bringe ich es nicht übers Herz, einen der beiden zu bitten, mich zum Einkaufen zu begleiten. Denn eigentlich wäre das meine und ihre Pflicht, die wiederum aus einem gütigen Entgegenkommen der Organisatoren dieser Olympischen Spiele herrührt.

Vergangenen Donnerstag bekam ich nämlich eine Mail mit dem Hinweis, dass ich mich ab jetzt nicht nur in dem Miniladen im Pressezentrum versorgen kann, sondern auch in einem Supermarkt. Na so was, eine Lockerung in der strikten Pandemiepolitik.

Voraussetzung dafür sei allerdings die Begleitung eines „Security Officer/Supervisor“. Ich vermute, meine Ansprechpartner wären dann die beiden Herrn unten am Tisch, die wiederum nicht englisch sprechen. Das ist nun also die neueste Maßgabe für all diejenigen, die noch keine 14 Tage in Tokio sind.

Etwas Obst, etwas zum Frühstück und natürlich Wasser mit einem eigenen Sicherheitsmann einkaufen, solche Auftritte hat man eher selten. Aber ich will die Posse lieber nicht noch auf die Spitze treiben. Den Organisatoren muss natürlich längst aufgefallen sein, dass die zuvor von ihnen ausschließlich gestattete Einkaufsquelle, ein Minimarkt im Pressezentrum, bei Weitem nicht am Bedarf von Tausenden von Journalisten am Tag vorbeigeht. Mittelmäßig ist dieser Laden nur besucht, in dem man sich Fertiggerichte an Ort und Stelle gleich in der Mikrowelle aufwärmen kann.

Kredit mit der Karte des Sponsors

Wer in diesem weitläufigen Gebäudekomplex arbeitet, kann zudem in die „Restaurant Avenue“ gehen, wo es allerdings nur ein, nun ja, Restaurant gibt. Pizza und Burger hat es ausschließlich für diejenigen im Angebot, die im Besitz einer Kreditkarte des Unternehmens sind, das Sponsorpartner vom IOC ist. Wer will, kann auch auf den „Food Court“ gehen, der sogar zwei japanische Gerichte anbietet und es gibt noch weitere Essensquellen.

Was aber tun, wen einen der Hunger im Hotel überfällt? Nach Corona-Bibel der Veranstalter musste man bislang die teure Hotelküche bemühen oder bei einem Lieferservice bestellen. Weil die Wirklichkeit jedoch anders als das an der Realität vorbeigedachte Sicherheitskonzept aussieht, hat man sich zu den Anpassungen entschlossen, die ihrerseits bemerkenswert realitätsfremd sind. Hauptsache, es schaut irgendwie nach Sicherheit aus. An alle Eventualitäten ist gedacht worden.

Falls nämlich die beiden Männer am Security Desk unten sich doch irgendwie nicht zum Einkaufen bewegen lassen, soll ich auf ein bereitliegendes Formular meine Start- und Rückkehrzeit eintragen und meine GPS-Daten vorzeigen. Hier in Tokio kann man interessantes Grundlagenmaterial sammeln, das für eine Studie nützlich sein könnte, wie groß der Anteil der Menschen ist, die sich freiwillig einem Überwachungsregime unterwerfen, selbst wenn es unsinnigste Regeln entwirft. Ich bin gespannt, wie die nächste Lockerungsmaßnahme ausschaut.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.