heute in bremen
: „Verteidiger unserer Verfassung“

Foto: Grüne Bremen

Michael Labetzke 51, ist Polizist, Mitglied der Bremerhavener Stadt-verordnetenversammlung, Vorstandssprecher von PolizeiGrün und Bundestagskandidat der Grünen Bremerhaven.

Interview Alina Götz

taz: Herr Labetzke, warum schreiben sich die Grünen das Thema innere Sicherheit auf die Fahne?

Michael Labetzke: Wir wollen ins Kanzler*innen­amt und stehen in den Umfragen stabil bei 20 Prozent. Wenn man um die Führung in Deutschland antritt und einen Gestaltungsanspruch hat, gehört innere Sicherheit dazu. Wir wollen und können diesen Themenbereich abdecken.

Wie sieht denn die grüne Vision dazu aus?

Wir müssen erst mal gucken, was in den vergangenen Jahren nicht gut gelaufen ist. So ist die Rassismus-Debatte vom Innenminister abgewürgt worden mit dem Ausspruch, Rassismus sei verboten und deswegen gebe es bei der Polizei keinen. Wir wollen ehrliche Debatten darüber, wie es um Diskriminierung bei der Polizei steht; zu Rassismus, aber auch Sexismus. In einer zunehmend diverseren Gesellschaft muss Polizei sich damit viel stärker auseinandersetzen.

Sind wir noch weit weg von einer weltoffenen, toleranten und diskriminierungsfreien Polizei, die Sie mit Polizei Grün fordern?

Es tut sich gesamtgesellschaftlich was, auch bei der Polizei, zum Beispiel in meiner Gewerkschaft Bund deutscher Kriminalbeamter. Das neue Bremer Polizeigesetz erhält beispielsweise einige Vorschriften, die zu einer Auseinandersetzung mit Diskriminierung führen. Dass sich der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Lüder Fasche kritisch geäußert hat, kann ich teils nachvollziehen, weil das Ausstellen von Kontrollbelegen Personal kostet. Aber das ist ja nicht der Grund für die Maßnahme, sondern es geht ums Sensibilisieren. Und es ist erwiesen, dass dies zu weniger Racial Profiling führt.

Wie steht es um die Ausbildung der Polizei?

Die wurde zwar angepasst, ist aber nicht zeitgemäß. Wir brauchen Polizisten 2.0. Das heißt nicht, dass die uniformierte Beamtin überflüssig wird, aber wir brauchen Polizist*innen, die mit entsprechenden Kenntnissen Kriminalität im Netz verfolgen können. Die bedroht nicht nur Unternehmen, sondern auch die kritische Infrastruktur.

Diskussion „Mit Sicherheit Grün“ mit Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion und Lena Gumnior, Grüne Bundestagskandidatin im Wahlkreis Osterholz/Verden: 18 Uhr, im Außenbereich des Restaurants Canova, Am Wall 207 oder im Livestream im YouTube-Kanal von Polizei Grün

Was läuft außerdem nicht nach Ihren Vorstellungen?

Wir verfolgen jeden Hühnerdieb. Aber dafür haben wir die Ressourcen nicht. Wir sollten uns viel stärker auf gesellschaftsbedrohende Kriminalität kümmern. Terrorismus, aber auch den internationalen Drogenhandel. Mittlerweile wird Kokain im Tonnenbereich nach Deutschland gebracht, im letzten Jahr wurden Höchstmengen verzeichnet. Daraus resultieren Milliardengewinne – diese Gelder werden auch eingesetzt für Immobilienspekulationen im Rahmen von Geldwäsche. Das treibt Mieten in Ballungsräumen nach oben. Meine persönliche Meinung ist, dass die Meldestelle beim Verdacht von Geldwäsche zurück zum Bundeskriminalamt muss und nicht beim Zoll bleiben darf. Für diese „Financial Intelligence Unit“ liegt die Zuständigkeit seit 2017 beim Zoll, also beim Bundesfinanzministerium, zuvor war sie in erster Linie Aufgabe des Bundeskriminalamtes. Zu dieser Schwerstkriminalität, die wir besser verfolgen sollten, gehört auch Steuerkriminalität.

Sind Sie trotzdem gerne Polizist?

Oh ja! Heute noch viel lieber, weil ich große Bedrohungen unserer Demokratie sehe. Als Polizist verstehe ich mich als Verteidiger unserer Verfassung. Das hört sich konservativ an, aber ich meine das wirklich so. Wir haben ein riesiges Problem mit Rechtsextremismus – und das ist keine Position eines linken Politikers. Das ist für mich die größte Bedrohung und wir haben ihn durch ein Versagen auf vielen Ebenen in unserer Gesellschaft gefestigt.