heute in bremen
: „‚Mama macht das schon‘“

Foto: Elias Keilhauer

Ricarda Lang 27, ist stellvertretende Vorsitzende, frauenpolitische Sprecherin und Bundestagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen.

Interview Alina Götz

taz: Warum ist Feminismus Arbeitskampf?

Ricarda Lang: Wir haben gerade in der Coronakrise gesehen, wie es um die Gleichberechtigung steht und wie Lohnarbeit verteilt ist. Frauen arbeiten immer noch viel in Teilzeit, verdienen im Schnitt fast 20 Prozent weniger und verrichten nebenbei unbezahlte Sorgearbeit. In der Pandemie hat bezüglich der Kinderbetreuung oft gegolten: „Mama macht das schon.“

Wenn Sie bald mitregieren dürften, würden Sie Hausarbeit entlohnen?

Das ist nicht der richtige Ansatz. Hausarbeit ist zum einen eine sehr intime Angelegenheit. Ich möchte nicht dafür bezahlt werden, mich um potentielle Kinder zu kümmern, sondern einfach Zeit dafür haben. Außerdem würde ich befürchten, dass Frauen so noch stärker in die Hausarbeit gedrängt werden.

Was schlagen Sie vor?

Es geht um Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt – also eine gleiche Verteilung von Lohn und Arbeitszeiten. Das heißt nicht, alles dem männlichen Durchschnitt anzupassen, sondern Arbeitszeiten grundsätzlich anders zu gestalten, sodass sie sich mehr an der Lebensrealität der Menschen orientieren. Kürzere Arbeitszeiten als die 40-Stunden-Woche können dazu beitragen, dass Zeit bleibt, sich um die Familie zu kümmern oder demokratisch zu beteiligen. Wir wollen daher zum Beispiel einen flexiblen Vollzeitkorridor zwischen 30 und 40 Stunden, ein echtes Rückkehrrecht aus Teilzeit auf Vollzeit und etwa für die Pflege eine Arbeitszeitverkürzung, die sich daran orientiert, was man körperlich tatsächlich schaffen kann.

Was sollte der Bund noch verändern?

Zum Beispiel das Steuerrecht: Aktuell wird das Alleinernährer-Modell – also Familien, in denen einer das Geld verdient und einer höchstens etwas dazuverdient – steuerlich begünstigt. Beziehungen, in denen beide gleichberechtigt arbeiten und sich um Kinder kümmern, werden dagegen schlechter gestellt. Das ist in einem Staat, der die Gleichstellung der Geschlechter will, ziemlich peinlich, zumal die Gesellschaft da schon viel weiter ist. Wir wollen zukünftig eine individuelle Besteuerung und eine Kindergrundsicherung für Familien, die eh schon wenig haben. Das Geld muss direkt dahin fließen, wo Kinder sind.

Was haben die Bundesländer in der Hand?

Einiges im Bereich systemrelevante Berufe. Am Beispiel Erzieher*innen: Dort herrscht ein Fachkräftemangel. Dabei sind diese Menschen verantwortlich für die Betreuungssituation und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Rahmenbedingungen rund um Ausbildung und Arbeitsbedingungen können von den Ländern angegangen werden. Damit es überall eine gute Kita-Abdeckung gibt.

Haben Sie in Ihrer Laufbahn Benachteiligungen aufgrund Ihres Geschlechts erlebt?

In der Politik erlebt man als Frau, die in der Öffentlichkeit steht, sehr blanken Sexismus und Hass; in sozialen Netzwerken, durch ­Hatespeech. Dass Frauen so aus diesen Räumen gedrängt werden, ist ein Problem für die Demokratie. Im Alltag habe ich Paternalismus erlebt. So habe ich oft gehört: „Das haben Sie für Ihr Alter gut gemacht“, oder „Sie sind noch so radikal, später werden Sie bestimmt vernünftig“. Ich finde aber gerade nach den Erfahrungen der Pandemie sollten andere Frauen im Fokus stehen – die an der Supermarktkasse und in Pflegeheimen, die schlecht bezahlt werden und dabei die Gesellschaft am Laufen halten. Mein Ziel ist, dass sie ihre Systemrelevanz in Zukunft auch im Geldbeutel und bei den Arbeitsbedingungen spüren.

Podiumsdiskussion „Feminismus heißt Arbeitskampf!“ mit Ricarda Lang, Lea Finster (Hebamme in Ausbildung), Caro Fuchs (DGB-Jugend): 20 Uhr, Neustadtswallanlagen